Das Bewusstsein des geistlichen Kampfes
ICH WAR SO NAIV. Ich dachte, dass ich auf der sicheren Seite wäre, solange ich theologisch bewandert bin, mich in der Bibel auskenne und von Gott als Leiter berufen und in seiner Gemeinde eingesetzt bin. Ich trat mit einer Art Friedenszeitmentalität in den Dienst. Ich hatte keine Vorstellung von den Versuchungen, die mir begegnen würden. Mir war nicht bewusst, welchen Angriffen auf meinen Charakter, meine Gaben, meine Vision und meine Herangehensweisen ich ausgesetzt sein würde. Ich war nicht auf den Kampf vorbereitet und so gab ich in manchen Momenten Dingen nach, denen ich hätte widerstehen müssen. Ich hörte auf Menschen, denen ich keinen Einfluss hätte gewähren dürfen. Ich kam an einen Punkt, wo ich sehr entmutigt und niedergeschlagen war. Einmal war ich so entmutigt, dass mir nichts attraktiver erschien, als die Leitungsposition im Dienst aufzugeben, zu der ich mich einst berufen gefühlt hatte und was für mich damals eine große Ehre gewesen war und mich mit großer Freude erfüllt hatte. Leiter, die sich des geistlichen Kampfes im Dienst nicht bewusst sind, beginnen nach und nach, mit einem gefangen genommenen Herzen, einer verzerrten Sicht und aus fehlgeleiteter Motivation heraus zu dienen. Wenn sie diesem geistlichen Kampf zum Opfer fallen, mögen sie sich ziemlich stark verändern, ohne sich über das Ausmaß ihrer Veränderung im Klaren zu sein.
Die Leiterschaft in der Gemeinde Jesu Christi ist nicht nur ein Kampf um theologische Treue, um die Klarheit des Evangeliums und um methodische Integrität, sondern sie ist auch immer ein Kampf um das Herz eines jeden Leiters. Es scheitern viel mehr Leiter, weil sie den Kampf um ihr Herz verloren haben, als weil sich ihre Theologie oder ihre Sicht des Evangeliums geändert hat. Oft ist es sogar so, dass ein theologisches Abirren nur ein sichtbares Anzeichen ist für ein zuvor abgeirrtes Herz. Ich möchte mit dir darüber nachdenken, wie es aussieht, wenn sich ein Leitungskreis auf den geistlichen Kampf vorbereitet und die Arbeit, zu der Gott ihn berufen hat, mit einer Kriegsmentalität tut.
Das Leben zwischen dem »Schon-jetzt«-Zustand und dem »Noch-nicht«-Zustand ist ein Kampf
Fast jede Seite der Schrift spricht davon. Daher ist es eine ernüchternde Warnung an uns alle. Das Leben im Hier und Jetzt ist ein fortwährender geistlicher Kampf. Die Schrift geht mit dem geistlichen Kampf anders um, als es viele von uns tun. Wir sprechen oft von etwas Ungewöhnlichem, Merkwürdigem, Unheimlichem und Dramatischem. Wir denken dann an dämonenbesessene Menschen, die sich auf dem Boden wälzen und Schaum vor dem Mund haben – der Stoff, aus dem Filme gemacht werden. Ich möchte keinesfalls leugnen, dass der geistliche Kampf auch dramatische und körperliche Facetten hat, aber ich möchte betonen, dass die Bibel den geistlichen Kampf eher als normal hinstellt, als ihn zu dramatisieren. Weil wir in einer gefallenen Welt leben, weil es den Feind, Satan, wirklich gibt, weil wir ständig vom Bösen und von Versuchungen umgeben sind und weil die verbleibende Sünde uns nach wie vor verwundbar macht, leben wir tagein und tagaus in einem Kriegsgebiet. Nimm dir Zeit, die folgenden Stellen zu lesen, die auf unterschiedliche Weisen von der Gegenwart und der Normalität dieses Krieges sprechen. Es ist zwar keine vollständige Liste von Stellen zu diesem Thema, doch es sind genug, um uns einen Eindruck von der ernüchternden Warnung der Schrift an jeden von uns zu verschaffen.
Denn unser Kampf ist nicht gegen Fleisch und Blut, sondern gegen die Fürstentümer, gegen die Gewalten, gegen die Weltbeherrscher dieser Finsternis, gegen die geistlichen Mächte der Bosheit in den himmlischen Örtern. (Eph 6,12)
Denn obwohl wir im Fleisch wandeln, kämpfen wir nicht nach dem Fleisch; denn die Waffen unseres Kampfes sind nicht fleischlich, sondern göttlich mächtig zur Zerstörung von Festungen. (2Kor 10,3–4a)
Die Nacht ist weit vorgerückt, und der Tag ist nahe. Lasst uns nun die Werke der Finsternis ablegen, die Waffen des Lichts aber anziehen. Lasst uns anständig wandeln wie am Tag; nicht in Schwelgereien und Trinkgelagen, nicht in Unzuchthandlungen und Ausschweifungen, nicht in Streit und Neid; sondern zieht den Herrn Jesus Christus an, und treibt nicht Vorsorge für das Fleisch zur Befriedigung seiner Begierden. (Röm 13,12–14)
Denn das Fleisch begehrt gegen den Geist, der Geist aber gegen das Fleisch; denn diese sind einander entgegengesetzt, damit ihr nicht das tut, was ihr wollt. (Gal 5,17)
Geliebte, ich ermahne euch als Fremdlinge und als solche, die ohne Bürgerrecht sind, euch der fleischlichen Begierden zu enthalten, die gegen die Seele streiten. (1Pet 2,11)
Simon, Simon! Siehe, der Satan hat begehrt, euch zu sichten wie den Weizen. Ich aber habe für dich gebetet, damit dein Glaube nicht aufhöre; und du, bist du einst umgekehrt, so stärke deine Brüder. (Lk 22,31–32)
[…] ich sehe aber ein anderes Gesetz in meinen Gliedern, das dem Gesetz meines Sinnes widerstreitet und mich in Gefangenschaft bringt unter das Gesetz der Sünde, das in meinen Gliedern ist. (Röm 7,23)
Alle aber auch, die gottselig leben wollen in Christus Jesus, werden verfolgt werden. (2Tim 3,12)
Ihr habt noch nicht, gegen die Sünde ankämpfend, bis aufs Blut widerstanden. (Heb 12,4)
Dies habe ich zu euch geredet, damit ihr in mir Frieden habt. In der Welt habt ihr Bedrängnis; aber seid guten Mutes, ich habe die Welt überwunden. (Joh 16,33)
Wandelt nur würdig des Evangeliums des Christus, damit, sei es, dass ich komme und euch sehe oder abwesend bin, ich von euch höre, dass ihr feststeht in einem Geist, indem ihr mit einer Seele mitkämpft mit dem Glauben des Evangeliums und euch in nichts erschrecken lasst von den Widersachern; was für sie ein Beweis des Verderbens ist, aber eures Heils, und das von Gott. Denn euch ist es im Blick auf Christus geschenkt worden, nicht allein an ihn zu glauben, sondern auch für ihn zu leiden. (Phil 1,27–29)
Geliebte, lasst euch durch das Feuer der Verfolgung unter euch, das euch zur Prüfung geschieht, nicht befremden, als begegne euch etwas Fremdes; sondern insoweit ihr der Leiden des Christus teilhaftig seid, freut euch, damit ihr auch in der Offenbarung seiner Herrlichkeit mit Frohlocken euch freut. (1Pet 4,12–13)
Deshalb nehmt die ganze Waffenrüstung Gottes, damit ihr an dem bösen Tag zu widerstehen und, nachdem ihr alles ausgerichtet habt, zu stehen vermögt. Steht nun, eure Lenden umgürtet mit Wahrheit und angetan mit dem Brustharnisch der Gerechtigkeit und an den Füßen beschuht mit der Bereitschaft des Evangeliums des Friedens. (Eph 6,13–15)
Nimm teil an den Trübsalen als ein guter Streiter Christi Jesu. (2Tim 2,3)
[…], sondern ermuntert euch selbst an jedem Tag, solange es ›heute‹ heißt, damit niemand von euch verhärtet werde durch Betrug der Sünde. (Heb 3,13)
Und ich hörte eine laute Stimme in dem Himmel sagen: Nun ist das Heil und die Macht und das Reich unseres Gottes und die Gewalt sei- nes Christus gekommen; denn hinabgeworfen ist der Verkläger unserer Brüder, der sie Tag und Nacht vor unserem Gott verklagte. (Offb 12,10)
Wacht, steht fest im Glauben; seid mannhaft, seid stark! (1Kor 16,13)
Habe ich dir nicht geboten: Sei stark und mutig? Erschrick nicht und fürchte dich nicht! Denn der HERR, dein Gott, ist mit dir überall, wohin du gehst. (Jos 1,9)
Und Josua sprach zu ihnen: Fürchtet euch nicht und erschreckt nicht, seid stark und mutig, denn so wird der HERR allen euren Feinden tun, gegen die ihr kämpft! (Jos 10,25)
Kämpfe den guten Kampf des Glaubens; ergreife das ewige Leben, zu dem du berufen worden bist und bekannt hast das gute Bekenntnis vor vielen Zeugen. (1Tim 6,12)
[…], so dass wir selbst uns euer rühmen in den Versammlungen Gottes wegen eures Ausharrens und Glaubens in allen euren Verfolgungen und den Drangsalen, die ihr erduldet. (2Thes 1,4)
Dem widersteht standhaft im Glauben, da ihr wisst, dass dieselben Leiden sich an eurer Brüderschaft in der Welt vollziehen. Der Gott aller Gnade aber, der euch berufen hat zu seiner ewigen Herrlichkeit in Christus Jesus, nachdem ihr eine kurze Zeit gelitten habt, er selbst wird [euch] vollkommen machen, befestigen, kräftigen, gründen. (1Pet 5,9–10)
Seid nüchtern, wacht; euer Widersacher, der Teufel, geht umher wie ein brüllender Löwe und sucht, wen er verschlinge. (1Pet 5,8)
Brüder, wenn auch ein Mensch von einem Fehltritt übereilt würde, so bringt ihr, die Geistlichen, einen solchen wieder zurecht im Geist der
Sanftmut, wobei du auf dich selbst siehst, dass nicht auch du versucht werdest. (Gal 6,1)
[…] zu aller Zeit betend mit allem Gebet und Flehen in dem Geist, und hierzu wachend in allem Anhalten und Flehen für alle Heiligen. (Eph 6,18)
[…] und führe uns nicht in Versuchung, sondern errette uns von dem Bösen. (Mt 6,13)
Wacht und betet, damit ihr nicht in Versuchung kommt; der Geist zwar ist willig, das Fleisch aber schwach. (Mt 26,41; Mk 14,38)
Petrus nun wurde in dem Gefängnis bewacht; aber von der Versammlung wurde anhaltend für ihn zu Gott gebetet. (Apg 12,5)
Im Übrigen, Brüder, betet für uns, dass das Wort des Herrn laufe und verherrlicht werde, wie auch bei euch, und dass wir errettet werden von den schlechten und bösen Menschen; denn der Glaube ist nicht aller Teil. (2Thes 3,1–2)
Im Übrigen, [Brüder,] seid stark in dem Herrn und in der Macht seiner Stärke. (Eph 6,10)
Und du umgürtetest mich mit Kraft zum Kampf, beugtest unter mich, die gegen mich aufstanden. (2Sam 22,40)
Der Gott, der mich mit Kraft umgürtet und vollkommen macht meinen Weg, er macht meine Füße denen der Hirschkühe gleich und stellt mich hin auf meine Höhen. Er lehrt meine Hände den Kampf, und meine Arme spannen den ehernen Bogen. (Ps 18,33–35)
Deshalb beuge ich meine Knie vor dem Vater [unseres Herrn Jesus Christus], von dem jede Familie in den Himmeln und auf der Erde benannt wird, damit er euch gebe, nach dem Reichtum seiner Herrlichkeit mit Kraft gestärkt zu werden durch seinen Geist an dem inneren Menschen. (Eph 3,14–16)
Niemand, der Kriegsdienste tut, verwickelt sich in die Beschäftigungen des Lebens, damit er dem gefalle, der ihn angeworben hat. (2Tim 2,4)
Geliebte, während ich allen Fleiß anwandte, euch über unser gemeinsames Heil zu schreiben, war ich genötigt, euch zu schreiben und zu ermahnen, für den einmal den Heiligen überlieferten Glauben zu kämpfen. (Jud 3)
Also lasst uns nun nicht schlafen wie die Übrigen, sondern wachen und nüchtern sein. (1Thes 5,6)
Der HERR ist mein Licht und mein Heil, vor wem sollte ich mich fürchten? Der HERR ist meines Lebens Stärke, vor wem sollte ich erschrecken? Als Übeltäter mir nahten, um mein Fleisch zu fressen – meine Bedränger und meine Feinde –, sie strauchelten und fielen. Wenn ein Heer sich gegen mich lagert, nicht fürchtet sich mein Herz; wenn Krieg sich gegen mich erhebt, hierauf vertraue ich. (Ps 27,1–3)
Wenn das, was in diesen Stellen beschrieben wird, auf jeden Gläubigen zutrifft und wir uns tatsächlich in einem täglichen geistlichen Kampf befinden und deshalb mit offenen Augen, wachsamem Herzen und Verstand und mit angelegter Waffenrüstung leben müssen, wie viel mehr trifft es dann auf die Leiter zu, die unser Herr dazu berufen hat, an vorderster Front zu stehen, um Warnungen auszusprechen und Anweisungen zu erteilen! Kein Leitungskreis sollte naiv sein. Kein Leitungskreis sollte seinen Dienst so tun, als seien es friedliche Zeiten. Wir sollten realistisch, sensibel und wachsam sein. Wir sollten allerdings auch nicht in depressive Paranoia verfallen, denn unser Heerführer hat die Schlacht bereits geschlagen und den endgültigen Sieg für uns errungen. Er ist in uns, mit uns und für uns. Aber wir dürfen das Umfeld, in dem wir unsere Arbeit tun, und die Anfälligkeit für Versuchungen, die noch in jedem von uns wohnt, nicht vergessen.
Wir sind nicht nur Leiter, die am Haus des Glaubens bauen, sondern wir sind auch Soldaten, die auf dem Schlachtfeld des Glaubens angegriffen werden. Wie viele Kriegsopfer muss es noch geben, bevor wir beginnen, den Krieg, der um uns herum und in uns tobt, ernst zu nehmen? Als von Gott eingesetzte Leiter müssen wir zwar strategisch planen, wie wir in Bezug auf Evangelisation, Jüngerschaft, Gemeindewachstum, Gemeindebau und Gemeindeerneuerung vorgehen, aber gleichzeitig müssen wir auch gemeinsam eine Strategie für den unausweichlichen Kampf entwickeln, der in uns und um uns tobt, während wir diese Arbeit tun.
Eine Kampfstrategie entwickeln
Wie können wir uns als Leitungskreis gemeinsam auf den Kampf vorbereiten? Ich möchte drei Dinge vorschlagen.
1. Jeder Leiter muss seine Schwachpunkte demütig akzeptieren und sich ihrer immer mehr bewusst werden
Ich habe in meinem eigenen Leben und im Leben anderer Leiter gesehen, dass geistlicher Stolz einen anfällig macht für geistliche Angriffe. Kein Leiter ist sicher, wenn er glaubt, er sei unangreifbar. Ein geistlich gesunder Leitungskreis ist immer wachsam und sensibel für die geistlichen Gefahren in einer gefallenen Welt und im Leben eines geistlichen Leiters. Es gibt wahrscheinlich keine bessere Verteidigung gegen geistliche Angriffe als Demut, also das Bewusstsein, ständig der schützenden und befähigenden Gnade zu benötigen. Das wiederum treibt uns an, nach Gefahren Ausschau zu halten und um Gottes Hilfe und die liebevolle Hilfe der anderen Leiter zu bitten.
Die Gefahr ist, dass theologisches Wissen, große Begabung, Erfahrung im Dienst und Frucht das Selbstbild eines Leiters verzerren können. Solange wir noch nicht in der Ewigkeit sind, machen uns diese Dinge anfällig für geistliche Angriffe. Die Dinge, die ich gerade aufgezählt habe, schützen uns nicht vor Angriffen, sondern sie kön- nen sogar Anzeichen dafür sein, dass wir uns in noch größerer Gefahr befinden. Der Feind will natürlich der Gemeinde und dem Ruf Jesu Christi schaden. Dafür gibt es wohl kaum einen besseren Weg, als einen der Leiter gefangen zu nehmen und moralisch zu verletzen. Theologischer Stolz macht uns im geistlichen Kampf verwundbar.
Wenn man stolz auf das ist, was man im Dienst erreicht, bringt man sich auf dem Schlachtfeld in Gefahr. Wenn man nicht offen ist für die pastorale Fürsorge und die Bedenken der anderen Leiter, setzt man sich der Gefahr aus. Wenn man sich mit Leitern umgibt, die nicht mehr bereit oder zu ängstlich sind, einen zu hinterfragen oder zu konfrontieren, macht man sich verwundbar. Wenn man Gott nicht immer wieder anfleht, einen nicht nur vor dem Feind, sondern auch vor einem selbst zu schützen, setzt man sich dem Angriff aus. Leiter, die vergessen, dass sie nicht nur Prediger, Seelsorger und Planer, sondern auch Soldaten in einem fortwährenden Kampf sind, machen sich verwundbar und setzen sich Gefahren aus. Wenn ein Leiter es versäumt, demütig und wachsam zu sein, erwartet diesen Leiter nichts Gutes.
Liebe Mitstreiter, wir dürfen nicht vergessen, wer wir sind. Wir müssen uns im Klaren darüber sein, wo wir leben. Und wir müssen wachsam bleiben gegenüber den Machenschaften des Feindes. Das soll alles nicht deprimierend und pessimistisch klingen oder eine düs- tere Introspektive sein. Es soll uns auch nicht lähmen und uns demotivieren. Wir dürfen dabei auch niemals Gott vergessen. Denke daran, dass Gottes Warnungen stets liebevolle Werkzeuge seiner schützenden Gnade sind. Lass uns auch nicht vergessen, dass wir von einem sieg- reichen Retter zum Leiten berufen wurden, der um unseres Sieges wil- len gelitten hat, und dem unsere Gesundheit, unsere Sicherheit und der Erfolg seiner Gemeinde mehr am Herzen liegen als uns. Er kennt unser Herz, er weiß, wie es um die Welt, in der wir leben, bestellt ist, und er kennt die Angriffe, denen wir ausgesetzt sind, denn er hat sie selbst erlebt.
Wenn euer Miteinander im Leitungskreis vom Evangelium ge- prägt ist, dann wird es nicht gefährlich sein, vor den anderen demütig zu bekennen, mit welchen Bereichen man persönlich zu kämpfen hat, denn sie werden dieses Geständnis verständnisvoll und barm- herzig aufnehmen und ihre Fürbitte und Hilfe anbieten – alles im Vertrauen auf die Gegenwart und Gnade des Retters. Viel gefährlicher dagegen ist es, wenn man naiver Weise davon ausgeht, dass man in Sicherheit ist und um einen herum Frieden herrscht, oder wenn man sich in seinem Stolz für unverwundbar hält und somit den offenen und regelmäßigen Austausch mit anderen Leitern unterbindet. Das Evangelium lädt uns ein, ehrlich zu sein, weil es für alles, worüber es ehrlich zu sprechen gilt, göttliche Hilfe anbietet. Und schließlich dürfen wir nicht zulassen, dass unser Wunsch, von den anderen Leitern respektiert zu werden, uns davon abhält, zu bekennen, wo wir am Kämpfen sind und wo wir dazu neigen, zu erliegen.
2. Der persönliche und gemeinsame geistliche Kampf muss ein regelmäßiger Bestandteil unseres fortlaufenden gegenseitigen Austauschs im Leitungskreis und ein zentrales Augenmerk unseres gemeinsamen Gebets sein.
Es begeistert mich, wenn sich die Mitarbeiter in einem Dienst Gedanken um die von Gott aufgetragene Arbeit machen und strategisch dafür planen. Ich habe großen Respekt vor »Evangeliums-Unzufriedenheit«. Damit meine ich, dass wir uns nicht mit einem bestimmten Maß an geistlichem Wachstum bei den Menschen, die wir leiten sollen, zufrieden geben, dass wir uns danach sehnen, dass immer mehr Menschen dem Reich Gottes hinzugetan werden und dass wir uns dafür einsetzen, dass mehr Gemeinden gegründet werden. Es begeistert mich, wenn die evangeliumsorientierte Vision und die Energie eines Leitungskreises nicht nachlassen, sondern fortwährend zunehmen. Es begeistert mich, wenn neue Leiter in einen Leitungskreis, der zwischenzeitlich ein wenig passiv geworden ist, hineinkommen und ihn auf respektvolle Weise etwas aufrütteln und somit neue Einsichten und neuen Eifer hervorbringen. Gott ruft sein Volk auf, weiter zu marschieren und nicht zu ruhen, bis wir die Worte hören:
»Kommt, denn schon ist [alles] bereit« (Lk 14,17b).
Ich bin dankbar für die Experten, die die Kirchengeschichte studiert haben, für das Leben der Leiter, die uns vorausgegangen sind, und für die strategische und durchdachte Weise, wie erfolgreiche Werke vorgegangen sind. Ich bin ermutigt durch die Leiter, die nie aufhören, zuzuhören, zu prüfen und hinzuzulernen.
Dennoch mache ich mir große Sorgen, wenn ein Leitungskreis keine Zeit und keinen Raum für ehrliche und schützende Gespräche über den geistlichen Kampf in uns und um uns herum hat, der das tägliche Erleben eines jeden Leiters in jeder Gemeinde und jedem Werk ist. Wir müssen demütig und ehrlich miteinander reden. Wir müssen aufmerksam und mit Mitgefühl zuhören und wir müssen Worte der Weisheit, des Trosts, der Ermutigung und der Ermahnung sprechen.
Es gibt Momente, in denen wir uns aufgrund dessen, was wir gehört und erfahren haben, einem Leiter liebevoll entgegenstellen müssen, dem wir zuvor regelmäßig zur Seite gestanden haben. Mit dem Ziel, ihn zu schützen, müssen wir uns ihm in den Weg stellen und uns weigern, etwas zu befürworten oder zu unterstützen, das entweder geistliche Gefahren birgt oder ein Beleg dafür ist, dass der Feind bereits einen Sieg im Herzen dieses Leiters errungen hat. Solche Gespräche und Maßnahmen sind schwer. Meistens ist es unangenehm und man steht unter Anspannung – Dinge, die man normalerweise in Beziehungen vermeiden will. Aber man kann sich nicht wirklich als Leitungskreis bezeichnen, der von der Liebe des Evangeliums angetrieben wird, wenn man solche Gespräche vermeidet (s. Galater 2 für ein neutestamentliches Beispiel).
Wir können es uns nicht erlauben, Anzeichen dafür abzustreiten, dass ein Leiter geistlich »belagert« wird oder sich hat dazu verleiten lassen, Gottes Grenzen zu überschreiten, nur weil wir uns vor un- angenehmen zwischenmenschlichen Momenten, vor Fragen nach unseren Motiven oder vor dem Widerstand fürchten, den wir er- fahren könnten. Wir dürfen nicht zulassen, dass die Geschäftigkeit im Dienst uns als Entschuldigung dafür dient, einander nicht zur Wachsamkeit zu mahnen und vor Gefahren zu schützen. Der geistliche Kampf muss, wenn er so normal ist, wie die Bibel ihn darstellt, immer auf unserer Tagesordnung stehen. Der Kampf ist in vollem Gange. Entweder erkennen wir ihn in uns und um uns herum und reagieren als Leitungskreis angemessen darauf oder – je nachdem, was unsere theologische Position zu geistlicher Kriegsführung ist – wir tun so, als gäbe es ihn nicht, und bringen unseren Leitungskreis damit in Gefahr.
Der Sieg unseres Heerführers lädt uns ein, inmitten des großen geistlichen Kampfes demütig, ehrlich und mutig zu sein. Mögen wir mit Blick auf diesen Sieg gemeinsam leben und leiten.
3. Wir müssen uns selbst prüfen und uns gegen die Listen Satans verteidigen.
Es ist so wichtig, zu verstehen, dass das Hauptwerkzeug, das der Feind benutzt, um geistliche Leiter anzugreifen, zu schwächen, zu besiegen und auszuschalten, der Dienst ist. Der Dienst selbst ist mit vielen Versuchungen behaftet, die mit den verworrenen Loyalitäten, Wünschen und Motivationen eines jeden Leiterherzens spielen. Gute Wünsche werden zu gefährlichen Wünschen, weil die Dinge, die wir uns wünschen, beginnen, uns zu beherrschen. Dinge, an denen an sich nichts verkehrt ist und die man sich wünschen darf, werden zu Dingen, die Kontrolle ausüben.
Dazu kommt noch, dass sich unser Identitätsbewusstsein laufend verändert. Wir denken ständig darüber nach, wer wir sind und definieren uns immer wieder neu. Durch Misserfolge im Dienst kann sich ein Leiter so umdefinieren, dass er sich verwundbar und angreifbar macht. Erfolge im Dienst dagegen können ebenfalls dazu führen, dass sich ein Leiter neu definiert und er sich neuen Täuschungen und Verführungen aussetzt. Öffentlicher Ruhm kann die Art und Weise verändern, wie wir darüber denken, wer wir sind und was wir brauchen. Leiter, die einst mit der Haltung eines Dieners geleitet haben, schauen auf ihren Erfolg und beginnen auf einmal, zu denken, sie seien etwas Besseres und könnten Ansprüche stellen.
Das Vertrauen und der Respekt von anderen Leitern verleiten uns dazu, der Menschenfurcht nachzugeben und infolgedessen nicht mehr so offen über unsere geistlichen Angriffsflächen und unsere geistliche Gesundheit zu sprechen.
Geistliche Leiterschaft stellt keine Festung gegen geistliche Angriffe dar; sie findet vielmehr an vorderster Front statt. Theologisches Fachwissen schützt dich nicht vor Angriffen; der Stolz auf dieses Wissen kann vielmehr eine der Sachen sein, die dich angreifbar machen. Große Gaben zu haben, macht dich nicht weniger verwundbar; die Tücke der Sünde kann vielmehr dazu führen, dass du besser darin bist, anderen das Evangelium zu predigen als dir selbst. Ein starkes Bewusstsein deiner Berufung in den Dienst schützt dich nicht vor Angriffen; vielmehr kann das Gefühl, anders bzw. etwas Besonderes zu sein und für einen besonderen Zweck auserkoren zu sein, in Wirklichkeit das sein, was der Feind benutzt, um an dein Herz heranzukommen und dich dazu zu bringen, unachtsam zu sein.
Der an sich gute Wunsch, etwas zu erreichen, kann zu Konkurrenzdenken, Eifersucht und Uneinigkeit unter den Leitern führen, wodurch sie sich unterschwelligem oder auch nicht so unterschwelligem Zorn und Bitterkeit aussetzen. Die Nähe und Intensität des Dienstalltags kann Leiter dazu verleiten, Gottes schützende zwischenmenschliche Grenzen zu überschreiten und sich somit romantischen und sexuellen Versuchungen auszusetzen. Selbst der Umgang mit den finanziellen Mitteln im Dienst kann einen Verantwortlichen dazu verleiten, das, was eigentlich für das Werk des Evangeliums gedacht war, für persönlichen Luxus und irgendwelche Annehmlichkeiten zu missbrauchen.
Der Krieg, den ich gerade beschrieben habe, findet im Herzen und Leben eines geistlichen Leiters und eines Leitungskreises statt, ohne dass sich einer dieser Leiter auch nur einen Zentimeter von seinem Platz wegbewegt oder seine regulären Aufgaben im Dienst vernachlässigt. Wir müssen also in der Schrift forschen und gemeinsam beraten und überlegen, wie wir uns konkret vor den Listen schützen können, die Satan anwenden mag, um dem Leitungskreis, zu dem wir gehören, Schaden zuzufügen oder um unser Leben und unseren Dienst oder das Leben und den Dienst eines anderen Leiters zu zerstören.
Unser Retter ist wachsam und verfügt über alle für diesen Kampf notwendigen Mittel. Ich bete, dass auch wir wachsam und bereit sind, die göttlichen Werkzeuge anzuwenden, um das zu besiegen, was wir aus eigener Kraft nie besiegen könnten, bevor der Feind an Boden gewinnt und eine Festung errichtet.
Dieser Artikel ist ein Auszug aus dem Buch »Leiten« (Kapitel 6) von Paul David Tripp.