»Ob ihr nun esst oder trinkt oder irgendetwas tut, tut alles zur Ehre Gottes.« (1. Korinther 10,31)
Jeder treue Gemeindehirte und engagierte Gemeindeverantwortliche wird Zeiten des Kummers und des Verrats erfahren. Dies sollte keine Überraschung sein, da wir wissen, dass wir unserem Herrn dienen, der »verachtet und verlassen von den Menschen, ein Mann der Schmerzen und mit Leiden vertraut« war (Jes 53,3a). In der frühen Zeit meines Dienstes habe ich mich ab und zu gefragt:
»Warum mache ich das überhaupt?«,
»Tue ich wirklich das, was Gott von mir erwartet und tue ich es so, wie er es sich vorstellt?«
Es gab Zeitpunkte, wo ich buchstäblich über Situationen geweint habe, die derart entmutigend waren, dass ich selbst am Leben verzweifelte.
Die harte Seite des Hirtendienstes
Depression kann vielfältigste Ursachen haben, aber die unvermeidlichen Schwierigkeiten, die mit dem Hirtendienst in Verbindung stehen, können ihren Beitrag dazu liefern, können selbst den physisch und seelisch stabilsten Gemeindehirten gefährden. In den ersten Jahren des Dienstes von Charles Spurgeon (1834–1892) war der Schmerz der Verleumdung und der Verachtung so groß, dass er versucht war, alles hinzuwerfen. Seine Frau Susannah versteckte oft die Morgenzeitung, um ihn vor weiteren Beleidigungen zu schützen. Er beschrieb seine Melancholie folgendermaßen:
»Der eiserne Riegel, der die Tür der Hoffnung auf so rätselhafte Weise verriegelt und unseren Geist in einem düstern Gefängnis gefangen hält, bedarf einer himmlischen Hand, um ihn beiseite zu schieben.«
Wenn du dich im Hirten- und Ältestendienst befindest, kennst du dieses Gefühl. Du weißt, was es bedeutet, von den Härten des Dienstes erschöpft zu sein, dein Leben in die zu investieren, die Gott dir anvertraut hat, und dann passiert etwas in der Gemeinde, das dich sprachlos und hilflos macht, so dass du versucht bist, das Handtuch zu werfen. Obwohl wir alle darin Trost finden können, dass Gott inmitten dieser Schmelztiegel der Gnade ein Ziel in unserem Leben verfolgt, kämpfen wir trotzdem gegen Furcht und manchmal Motivationsmangel an. Die meisten Gemeindehirten, die ich seelsorgerlich betreut habe bzw. persönlich kenne und meine Freunde nenne, geben dies zu.
Wenn es mehr als Zuspruch braucht
Was ich aus Erfahrung und – was noch wichtiger ist – aus der Schrift entdeckt habe, ist, dass wir etwas mehr brauchen, als nur die Gewissheit, »dass denen, die Gott lieben, alle Dinge zum Guten mitwirken« (Röm 8,28a) – sogar mehr, als nur zu wissen, dass »die Bewährung eures Glaubens Ausharren bewirkt« (Jak 1,3), so wahr und wundervoll diese Verheißungen auch sind. Wir brauchen etwas so Ehrfurchterregendes, so Motivierendes, dass uns nichts davon abhalten kann, uns wieder aufzurappeln, wenn wir zu Boden gegangen sind – etwas, das uns fortwährend beflügelt, nach unserem Schwert zu greifen und in die Schlacht zurückzukehren.
Ergriffen von Gottes Herrlichkeit
Was wir brauchen, ist ein Eifer für die Ehre und Herrlichkeit Gottes – ein Eifer, der nur von der Vision der Majestät Gottes herrühren kann, die unsere Seele in Beschlag nimmt und unsere Sünde ausmerzt. Ich beziehe mich nicht auf eine wirkliche Vision, wie jene sechs Visionen, die Paulus hatte und über die in der Apostelgeschichte berichtet wird. Ich rede auch nicht von den angeblichen offenbarenden Visionen und Träumen, die in der charismatischen Bewegung weitverbreitet sind. Stattdessen beziehe ich mich auf eine unser Leben beherrschende Ergriffenheit von der Gott innewohnenden Herrlichkeit: Ihn so zu sehen, wie er sich in der Schöpfung und der Schrift offenbart hat, und alle Menschen einzuladen, König Jesus anzubeten, dem alle Macht im Himmel und auf Erden gegeben (Mt 28,17– 20) und dem »eine ewige Herrschaft, die nicht vergehen wird« (Dan 7,14b) gegeben wurde.
Gottes Herrlichkeit im Heilswerk
In Epheser 1 spricht der Apostel Paulus im Rahmen einer großartigen Lobeshymne davon, dass Gott im Heilswerk seiner eigenen Herrlichkeit und Ehre verpflichtet ist. Er redet dort von unseren geistlichen Segnungen in Christus und erinnert uns dabei daran, wie der Vater
»[…] uns auserwählt hat in ihm vor Grundlegung der Welt, dass wir heilig und untadelig seien vor ihm in Liebe; und uns zuvor bestimmt hat zur Sohnschaft durch Jesus Christus für sich selbst, nach dem Wohlgefallen seines Willens, zum Preise der Herrlichkeit seiner Gnade, womit er uns begnadigt hat in dem Geliebten« (Eph 1,4–6).
Wir müssen fortwährend über diese tiefgründigen Wahrheiten nachsinnen und ihnen gestatten, eine Ehrfurcht in uns zu erwecken, die dazu führt, dass wir uns in allem, was wir tun, von ganzem Herzen seiner Ehre und Herrlichkeit hingeben – ungeachtet dessen, was auch passieren mag. Dies deckt sich mit dem Befehl Jesu:
»Ebenso lasst euer Licht leuchten vor den Menschen, damit sie eure guten Werke sehen und euren Vater, der in den Himmeln ist, verherrlichen« (Mt 5,16).
Ein Herz voller Ehrfurcht
So sieht der Eifer für die Ehre und Herrlichkeit Gottes aus. Wir müssen mit allem, was wir haben und was wir sind, die Zurschaustellung des Wesens Gottes in allen seinen Werken, seinem Wort und in seinem Volk bewundern. Wir müssen eine uns derart voll in Beschlag nehmende Ehrfurcht vor Gott empfinden, dass unser Herz tiefgerührt seine eigene Version von Davids Lobeshymne anstimmt:
»Ich will dich erheben, mein Gott, du König,
und deinen Namen preisen immer und ewig.Jeden Tag will ich dich preisen
und deinen Namen loben immer und ewig.Groß ist der Herr und sehr zu loben,
und seine Größe ist unerforschlich.Ein Geschlecht wird dem anderen deine Werke rühmen,
und deine Machttaten werden sie verkünden.Reden will ich von der herrlichen Pracht deiner Majestät
und von deinen Wundertaten.« (Ps 145,1–5)
Sich gedanklich mit der unfassbaren Herrlichkeit und Größe Gottes zu beschäftigen ist nicht nur eine Empfehlung, sondern ein Befehl! Gott beschwört seine ganze Schöpfung durch seinen vom Heiligen Geist inspirierten Psalmisten mit den Worten:
»Vor dem Herrn fürchte sich die ganze Erde; vor ihm mögen sich scheuen alle Bewohner des Erdkreises!« (Ps 33,8).
Von dieser Perspektive aus wird alles andere im Leben, sei es Gutes oder Böses, ins rechte Verhältnis gesetzt. Nichts im Leben ist mit den unbegreifbaren Vollkommenheiten unseres Schöpfers und Erlösers vergleichbar, dessen Herrlichkeit wir eines Tages teilen werden.
Kennzeichnet dies die Leidenschaft deines Herzens? Rühmst du dich »seines heiligen Namens« (1Chr 16,10)? Hoffentlich können wir alle in Salomos Lobpreis und Anbetung einstimmen:
»Gepriesen sei der Herr, Gott, der Gott Israels, der Wunder tut, er allein! Und gepriesen sei sein herrlicher Name in Ewigkeit! Und die ganze Erde werde erfüllt mit seiner Herrlichkeit! Amen, ja, Amen.« (Ps 72,18–19)
Vielleicht ist eine kurze Einführung in die alles übersteigende Majestät Gottes hilfreich, um die Glut unserer Leidenschaft erneut auflodern zu lassen. Bei den törichten Beschäftigungen des Fleisches und den gottlosen Ablenkungen dieser Welt kann es schnell passieren, dass dieses Feuer erstickt wird.
Herrlichkeit im Alten und Neuen Testament
Der alttestamentliche Begriff für Herrlichkeit und Ehre (hebr. kabod) kommt von einem Wortstamm (hebr. kâbad o. kabed), der schwer oder gewichtig bedeutet. Dabei schwingt der Gedanke der Schwere einer Sache mit und ist deshalb ein Hinweis auf den Wert, der ihr beigemessen wird. Wir könnten z. B. sagen, dass etwas »wert ist, in Gold aufgewogen zu werden«. Deshalb wird der Begriff oft im übertragenen Sinne gebraucht, um die bemerkenswerte Wertigkeit bzw. den besonderen inneren Wert einer Person anzudeuten.
Im Neuen Testament wird für Herrlichkeit und Ehre das griech. Wort dóxa verwendet, wovon wir unser Fremdwort Doxologie (Lobpreis, Rühmen) ableiten. In der hellenistischen Kultur wurde dóxa gebraucht, um die hohe Meinung zum Ausdruck zu bringen, die man gegenüber jemandem aufgrund seines Charakters oder seiner Errungenschaften hatte. In der Septuaginta (der griech. Übersetzung des AT) wurde es verwendet, um den hell leuchtenden Glanz der Herrlichkeit Gottes zum Ausdruck zu bringen, die im Alten Testament ein Bild für den Kern seines Wesens war, das sich in seinem geschaffenen Universum sowohl durch natürliche als auch spezielle Offenbarung bekundete (Ps 19).
Gottes handeln ist herrlich
Der Apostel Paulus stellte zudem deutlich heraus, dass alles, was Gott ist und tut, von seiner ihm innewohnenden Herrlichkeit spricht (z. B. Eph 1,6; 3,16; Kol 1,11). Dies trifft insbesondere dann zu, wenn er sich in seinem materiellen Universum offenbart. Am deutlichsten wird dies in der Menschwerdung Christi, die der Apostel Johannes wie folgt beschreibt: »Und das Wort wurde Fleisch und wohnte unter uns (und wir haben seine Herrlichkeit angeschaut, eine Herrlichkeit als eines Eingeborenen vom Vater) voller Gnade und Wahrheit« (Joh 1,14).
Jesus Leidenschaft war die Herrlichkeit seines Vaters
Die Leidenschaft für genau diese Herrlichkeit nahm das Herz des Heilands am Vorabend seiner Kreuzigung in Beschlag. In seinem hohepriesterlichen Gebet betet er, dass seine Jünger das Wesen Gottes in seinen Handlungen sehen und von Ehrfurcht bezüglich der großen Pracht ihres Herrn und Gottes in seinem Erlösungswerk ergriffen würden. Er betete:
»Vater, die Stunde ist gekommen; verherrliche deinen Sohn, damit dein Sohn dich verherrliche […] Und nun verherrliche du, Vater, mich bei dir selbst mit der Herrlichkeit, die ich bei dir hatte, ehe die Welt war. […] Und die Herrlichkeit, die du mir gegeben hast, habe ich ihnen gegeben, damit sie eins seien, wie wir eins sind« (Joh 17,1b.5.22;).
Jesus ist der »Ich bin«
Natürlich war Jesu Herrlichkeit verschleiert, als er Mensch wurde. Doch sie durchbrach teilweise diesen Schleier, als der Glanz seiner Herrlichkeit auf dem Berg der Verklärung von ihm ausging (Lk 9,29–31). Wir sehen etwas Ähnliches, als die aufgebrachte Volksmenge kam, um ihn im Garten Gethsemane zu verhaften. Er fragte sie:
»Wen sucht ihr? Sie antworteten ihm: Jesus, den Nazaräer. Jesus spricht zu ihnen: Ich bin es. Aber auch Judas, der ihn überlieferte, stand bei ihnen. Als er nun zu ihnen sagte: Ich bin es, wichen sie zurück und fielen zu Boden« (Joh 18,4b–6).
Schon allein durch das bloße Aussprechen des Bundesnamens Gottes »Ich bin« (Ego eimi) schien seine Herrlichkeit durch den Schleier hindurch und ließ seine Widersacher zu Boden gehen! Dabei verwendete der Herr lediglich den Titel, den er in Johannes 8,58b verwendet hatte, um sich selbst zu beschreiben. Dort hatte er den ungläubigen Juden gesagt: »Ehe Abraham war, bin ich!« Indem er sich auf sich selbst in der Gegenwartsform bezog, beschrieb er einen fortwährenden Zustand und zeugte so von seiner ewigen Selbstexistenz: Er war von jeher und wird für immer sein. Es gab nie einen Zeitpunkt, an dem er nicht war. Hier sehen wir, dass Gottes Herrlichkeit und sein Name als Synonyme verwendet werden.
Die Herrlichkeit des Namens Gottes
Mose warnte die Israeliten,
»alle Worte dieses Gesetzes zu tun, die in diesem Buch geschrieben sind, dass du diesen herrlichen und furchtbaren Namen, den Herrn, deinen Gott, fürchtest« (5Mo 28,58).
In den Psalmen wird er als der »König der Herrlichkeit« (Ps 24,8–10; 4x) und als »Gott der Herrlichkeit « (Ps 29,3) bezeichnet. Aus diesem Grund ruft der Psalmist aus:
»Nicht uns, Herr, nicht uns, sondern deinem Namen gib Ehre« (Ps 115,1a).
Gott eifert um seinen Namen, weil er um seine Ehre eifert. In seinem Mustergebet heißt Jesus die Jünger zu beten:
»Unser Vater, der du bist in den Himmeln, geheiligt werde dein Name« (Mt 6,9).
Dies ist eine leidenschaftliche Bitte (keine Beteuerung), dass Gott seinen Namen heiligen möge. Wir sollen beten, dass er veranlassen möge, dass sein Name mit der größten Heiligkeit behandelt wird, so dass ihm gehorcht und dass er gefürchtet, angebetet und verherrlicht wird (3Mo 10,3).
Er hinterließ uns sogar eine furchterregende Schau seiner Herrlichkeit, als er diese in der Wolken- bzw. Feuersäule (seiner Schechina-Gegenwart) sichtbar offenbarte, welche einst den Berg Sinai bedeckte und dann die Israeliten auf ihrer Reise durch die Wüste bis ins Verheißene Land führte. Was für ein wunderschönes Bild seiner erlösenden Gnade, die wir als Knechte des Evangeliums Christi verkünden. Er ist die Personifizierung der Herrlichkeit Gottes (2Kor 4,5–6), er ist
»die Ausstrahlung seiner Herrlichkeit und der Abdruck seines Wesens « (Heb 1,3).
Der Blick auf Gottes Herrlichkeit
Und in jeder Manifestation der Herrlichkeit Gottes sehen wir deutlich seine Heiligkeit, die alles umfassende Eigenschaft seiner unendlichen Vollkommenheit, Reinheit und Macht. Deshalb ist es unser Eifer für die Herrlichkeit und Ehre Gottes, der die Kraft des Heiligen Geistes in uns entfesselt, die unser Leben veranlasst, zu seiner Ehre zu gereichen und unsere Seelen mit der unaussprechlichen Freude seiner Gegenwart überflutet. Allein schon aus diesem Grund müssen wir als Gemeindehirten einen Eifer für die Ehre und Herrlichkeit Gottes besitzen. Mehr als alle anderen müssen wir eine Schau von der Majestät Gottes haben, die unsere Seele in Beschlag nimmt und unserer Sünde ausmerzt.