Stille Zeit – ist das wirklich nötig?

Deine persönliche Zeit mit Gott ist nicht eine Randnotiz, sondern ist Hauptteil für dein Leben mit Gott. Dabei fällt es leicht, die Stille Zeit zu kürzen oder zu streichen - aus guten Gründen. Allerdings sind die Gründe nie gut genug und es ist eine Freude für die Seele des Christen, regelmäßig und fern von allen Menschen das Angesicht Gottes zu suchen. Es zählt also, aus Liebe zu ihm und Abhängigkeit von ihm vor sein Angesicht zu treten. Weniger Zeit mit Gott kann niemals die Antwort sein, auch an vollen Tagen.
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Stille Zeit - ist das wirklich nötig?
Lesezeit: 4 Minuten

Du hast immer gedacht, dass du so eine »Stille Zeit« machen solltest, wie die Evangelikalen es nennen. Die Stille Zeit, manchmal auch als tägliche Andacht bezeichnet, besteht normalerweise aus Bibellese und Gebet. Darüber hinaus kann diese Zeit in Bezug auf Tageszeit, Dauer, Ort und Inhalt sehr individuell gestaltet werden. Viele legen Wert darauf, über die Schrift noch eingehend nachzudenken, nachdem sie sie gelesen haben. Andere wiederum führen noch so eine Art Tagebuch darüber. Einige lesen dazu noch einen kurzen Andachtstext aus einem anderen Buch. Im Großen und Ganzen geht es darum, die Seele zu nähren und mit Gott Gemeinschaft zu haben.

Aber vielleicht sind deine Andachtsgewohnheiten in letzter Zeit etwas eingeschlafen. Angesichts dieser Schwierigkeiten hast du insgeheim für dich eine kleine geistliche Kosten-Nutzen-Rechnung zu dem ganzen Thema gemacht.

Entspann dich. Warum solltest du dir deswegen Stress machen? Wer will denn schon, dass sein geistliches Leben zum Krampf wird? Lass mich dir helfen, zu verstehen, warum du wahrscheinlich sowieso keine Stille Zeit brauchst.

Gute Gründe für keine Stille Zeit

1. Du hast keine Zeit

Erstens hast du unglaublich viel zu tun. Noch nie warst du so beschäftigt wie jetzt gerade. Gott hat dir viele Aufgaben gegeben und du versuchst, sie treu zu tun. Wenn du dir jeden Tag Zeit nimmst, die Bibel zu lesen und zu beten, verlierst du wertvolle Zeit, die du für andere wichtige, von Gott gegebene Aufgaben verwenden könntest.

2. Du bist beschäftigt

Zweitens kann man nicht an zwei Orten gleichzeitig sein. Wäre es nicht selbstsüchtig, bei so vielen Bedürfnissen, die es zu befriedigen gilt, und bei so vielen Menschen, denen geholfen werden muss, Zeit mit Gott allein zu verbringen und Zeit dafür zu opfern, die man für den Dienst an anderen verwenden könnte? Es stimmt zwar, dass Jesus sich häufig vom Lehren und von dem Dienst an den Menschenmengen, die zu ihm kamen, zurückzog, um seine Seele im Gebet zu stärken, aber bedeutet das, dass er uns darin ein Vorbild ist?

3. Du bist schon reif

Drittens bist du ja schon geistlich reif. Denk nur an all die christlichen Bücher und Blogbeiträge, die du im Laufe deines Lebens gelesen hast! Haben sie nicht vieles aus der Bibel abgeleitet? Und denk nur an die vielen Predigten und Bibelstunden, denen du schon beigewohnt hast! Hast du inzwischen nicht schon so einen hohen geistlichen Reifegrad erreicht, dass die täglichen Andachten einfach nur noch Inhalte wiederholen, die du bereits kennst? Glaubst du wirklich, dass Gott von dir erwartet, dass du Tag und Nacht über sein Wort nachsinnst?

4. Du bist kein Nachmacher

Viertens möchtest du andere nicht einfach nur nachmachen. Nur weil die großen Glaubenshelden der Vergangenheit sich regelmäßig dem Gebet und dem Nachsinnen über die Heilige Schrift widmeten, heißt das noch lange nicht, dass du das auch tun musst. Schließlich hast du ja Zugriff auf Hilfsmittel, die sie nie hatten. Du hast ein Smartphone und das Internet.

5. Du bist unter der Gnade, nicht unter Gesetz

Fünftens möchtest du ja nicht gesetzlich werden. Zu glauben, dass deine Seele sich täglich von Gottes Wort ernähren und die Gemeinschaft mit ihm suchen muss, ist ja beinahe so, als würde man sagen, dass dein Körper nahezu jeden Tag Nahrung braucht. Und wer möchte denn schon in die gesetzliche Falle hineintappen, die besagt, dass man seinen Körper täglich nähren sollte? Mäßigung ist ja so wichtig, wenn es um die Dinge Gottes geht, nicht wahr? Schließlich warnt uns Prediger 7,16:

»Sei nicht allzu gerecht«.

Hast du immer noch ein schlechtes Gewissen, weil deine Stille Zeit so unregelmäßig ist? Keine Sorge. Du kannst ja jederzeit wieder damit anfangen, wenn du mal weniger zu tun hast.

Überzeugt? Nun, bevor du deine tägliche Andachtszeit ganz aufgibst, solltest du vielleicht noch ein paar Dinge bedenken.

Bessere Gründe für eine Stille Zeit

1. Du genießt seine Gemeinschaft

Erstens ist es ein Kennzeichen der Gnade, wenn jemand seine Zeit mit Gott zur Priorität macht. In dieser Hinsicht kann man Jonathan Edwards nur schwer etwas entgegensetzen:

»Ein wahrer Christ […] genießt es, sich von Zeit zu Zeit von allen Menschen zurückzuziehen, um an einem einsamen Ort mit Gott zu sprechen. […] Die wahre Religion bewegt Menschen dazu, viel allein an abgeschiedenen Orten zu sein, um sich der heiligen Meditation und dem Gebet zu widmen. […] Es liegt im Wesen der wahren Gnade, dass sie, so sehr sie auch die christliche Gemeinschaft an sich liebt, sich dennoch auf besondere Weise an der Zurückgezogenheit und der vertraulichen Unterredung mit Gott erfreut.«

2. Du brauchst Kräftigung

Sodann ist Jesus in der Tat das große Vorbild für persönliche Frömmigkeit. Sicher, man könnte anderen mehr dienen, wenn man sein persönliches Andachtsleben aufgeben würde. Aber dasselbe ließe sich auch über die Zeit sagen, die man mit Essen und Schlafen verbringt. Würdest du auf diese Dinge verzichten, um die Bedürfnisse anderer zu erfüllen? Es mag zwar Zeiten geben, in denen man anderen dient, anstatt seine Seele und seinen Leib zu stärken, aber auf Dauer wäre das weder weise noch nutzbringend. Jesus hätte buchstäblich jedes Bedürfnis erfüllen können, das an ihn herangetragen wurde. Doch selbst er zog sich manchmal von den bedürftigen Menschenmengen zurück, um zu beten. Jesus ist unser Vorbild in Bezug auf alles Gute, auch auf die Priorisierung der Zeit mit dem Vater.

3. Du brauchst Wachstum

Drittens war es dem Apostel Paulus selbst bis zu seinem Tod ein Anliegen, seine Seele mit der Schrift zu sättigen. In dem letzten inspirierten Brief, den er niederschrieb, bat Paulus Timotheus inständig:

»[…] bringe mit, wenn du kommst; auch die Bücher, besonders die Pergamente« (2Tim 4,13).

Zu diesen Schriften gehörte mit ziemlicher Sicherheit auch ein Exemplar des Alten Testaments. Wenn ein Christ von so geistlicher Reife wie der Apostel Paulus, bis zu seinem Tod auf die regelmäßige Lektüre der Heiligen Schrift angewiesen war, wie können wir es dann jemals wagen, zu glauben, dass wir dieser Notwendigkeit »entwachsen« wären?

4. Du musst ein Nachahmer sein

Viertens sind wir dazu berufen, geistliche Helden nachzuahmen. In Hebräer 13,7 gebietet uns Gott, uns an die christlichen Leiter der Vergangenheit zu erinnern, über sie nachzudenken und sie nachzuahmen. Dort wird uns gesagt:

»Gedenkt an eure Führer, die euch das Wort Gottes gesagt haben; schaut das Ende ihres Wandels an und ahmt ihren Glauben nach!«

Der Konsens der geistlichen Riesen der christlichen Geschichte, der die Unverzichtbarkeit des Andachtslebens für einen Gläubigen bezeugt, sollte nicht vergessen und ihr Vorbild nicht verworfen werden.

5. Du machst es aus reinen Motiven

Fünftens sind Gewohnheiten für die Stille Zeit aus den rechten Beweggründen niemals gesetzlich. Weder der strengste Gehorsam gegenüber dem Wort Gottes noch das eifrigste Streben nach Heiligkeit ist jemals gesetzlich, solange die Beweggründe stimmen. Gesetzlichkeit wird nicht daran festgemacht, wie beständig man seine Stille Zeit hält, sondern daran, was die Motive des Herzens sind.

6. Du wirst nie Zeit haben, du musst sie nehmen

Schließlich wirst du wahrscheinlich nie weniger beschäftigt sein. Wenn du jetzt keine Zeit dafür finden kannst, Gott in der Bibel und im Gebet zu begegnen, dann ist es sehr unwahrscheinlich, dass du es tust, wenn – falls – das Leben mal weniger geschäftig wird.

Vielleicht sind in deinem Leben tatsächlich erhebliche Veränderungen erforderlich. Aber denk einmal darüber nach: Wie kann weniger Zeit mit Gott wohl die Antwort sein?

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