Lieber Ältester, … nein, du bist kein Versager!

Wenn wir unser Versagen eingestehen, erfahren wir die unveränderliche Liebe und immerwährende Vergebung des Herrn.
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Lieber Ältester, ... nein, du bist kein Versager!
Lesezeit: 6 Minuten

Lieber Ältester,

du hast zwar versagt und du wirst auch in Zukunft versagen, aber du bist kein Versager.

Perfektion ist unmöglich und Versagen ist unvermeidlich. Irgendwann werden wir zwangsläufig in einem Lebens- oder Dienstbereich versagen. Wir werden dann Gottes Erwartungen, die Erwartungen anderer und sogar unsere eigenen Erwartungen nicht erfüllen. Wir werden mindestens einmal im Leben, in der Regel jedoch viele Male, hinter den Erwartungen zurückbleiben und hart auf die Nase fallen.

»Ich habe versagt«

Wir können in moralischer Hinsicht versagen, indem wir unseren Lüsten nachgeben oder eine Lüge erzählen. Wir können in unseren Beziehungen versagen, indem wir unsere Familie vernachlässigen, andere missverstehen oder von ihnen missverstanden werden. Wir können als Seelsorger versagen, indem wir andere entweder zu hart anpacken oder zu sehr mit Samthandschuhen anfassen, indem wir zu blauäugig oder zu zynisch sind. Wir können in unserem Predigtdienst versagen, indem wir Dinge komplizierter oder einfacher machen, als sie in Wirklichkeit sind. Wir können in unserem persönlichen Andachtsleben versagen, indem wir persönliches Gebet und Bibelstudium vernachlässigen, wenn wir zu beschäftigt oder entmutigt sind. Wir können in Bezug auf unsere Entscheidung versagen, indem wir Menschen fehleinschätzen oder eine Situation missverstehen. Wir können in unseren Organisationsaufgaben versagen, indem wir einen Termin verpassen oder jemanden vergessen anzurufen. Wir können auf dem Gebiet der Evangelisation versagen, indem wir eine Gelegenheit verpassen oder vermasseln. Wir können finanziell versagen, indem wir nicht genug verdienen, um unsere Familie zu ernähren oder nicht genug Geld zur Verfügung haben, um als Gemeinde überleben zu können.

Der Hirtendienst ist ein Minenfeld potenziellen Versagens, sodass die meisten von uns gelegentlich im Laufe ihres Leben auf die eine oder andere Mine treten. Es ist deshalb nicht überraschend, dass viele Älteste auf die Krater des Versagens, die sie hinterlassen haben, zurückschauen und zu dem Schluss kommen: Ich bin ein Versager.

»Ich bin ein Versager«

Selbst ein einmaliges Versagen reicht manchmal schon aus, um uns so tief zu verletzen, dass wir uns als Versager identifizieren. Versagen definiert uns und macht uns blind für alles andere, was mit unserer Person zu tun hat.

Doch durch das Evangelium ruft uns unser barmherziger Retter zu: Ja, du hast zwar versagt, aber du bist kein Versager. Du bist zwar auf viele »Versagensminen« getreten, aber ihre Detonationen haben dich nicht in einen Versager verwandelt. Der vollkommene Christus ließ sich »in die Luft jagen«, um das Unvollkommene zu heilen. Er nahm sich unserer Versagensminen an, damit wir uns nicht als Versager zu identifizieren brauchen. Das Sühneopfer Christi verdeckt unser Versagen vor den Augen Gottes, sodass Gott nur die Vollkommenheit Christi sieht, wenn er uns ansieht. Jesus war am Kreuz mit Versagen übersät, damit wir durch das Evangelium mit Vollkommenheit übersät sein können. Gott bestreitet unser Versagen nicht, doch er bestreitet, dass wir Versager sind. Er pflichtet uns zwar bei, dass wir versagt haben, aber er stimmt uns nicht zu, dass wir Versager sind. Er will zwar, dass die Seinen ihr Versagen eingestehen, aber er will nicht, dass sie die Identität eines Versagers annehmen. Wir dürfen uns nie vom Versagen definieren lassen, sondern wir sollten uns vom Versagen belehren lassen.

Bringen wir also all unser Versagen zu unserem unfehlbaren Herrn, um völlige und unverdiente Vergebung zu erlangen (1Joh 1,9). Bringen wir also unsere misslungenen evangelistischen Versuche, unsere misslungenen Predigten, unsere misslungenen Pastoralbesuche und unsere misslungenen Seelsorgegespräche zum Herrn und schütten ihm unser Herz aus:

Herr, ich habe wieder einmal eine schlechte Predigt gehalten … ich habe vergessen, einer bedürftigen Seele einen Besuch abzustatten … ich hatte zu viel Angst, mit meinem Nachbarn über dich zu sprechen … ich habe die Stimmung unter meinen Ältesten falsch eingeschätzt … ich habe die Familie, die die Gemeinde verlassen hat, unnötig gekränkt … ich war unsensibel bei der Seelsorge … ich spüre nun die Folgen davon, dass ich das Vertrauen dieser Person missbraucht habe …

und sogar:

Ich habe versagt, indem ich Erfolg an weltlichen Maßstäben gemessen habe.

Wenn wir allerdings unser Versagen bekennen, erfahren wir die unveränderliche Liebe und die immerwährende Vergebung des Herrn (Spr 28,13). Wir werden dadurch zwar gedemütigt und uns unserer Schwächen bewusst, aber auch gleichzeitig weiser und glücklicher. Angesichts des Kreuzes wird uns bewusst, wie richtig es ist, unser Versagen einzugestehen, aber auch wie falsch es ist, die Identität eines Versagers anzunehmen. Und in diesem Bewusstsein sehen wir schließlich, wie Gott selbst unser hässlichstes Versagen in etwas Nützliches und sogar Schönes verwandeln kann.

»Ich bin ein Schüler, des Versagens«

Obwohl unser Versagen äußerst schmerzhaft sein kann, können wir viel daraus lernen, vor allem, nachdem wir durch das Kreuz von jeglicher Schuld befreit wurden. Sobald unser anklagendes Gewissen zum Schweigen gebracht wurde, sind wir in der Lage, unser Versagen genauer in Augenschein zu nehmen, um daraus zu lernen. Schüler des Versagens werden somit in das Ebenbild ihres vollkommenen Lehrers, Jesus Christus, verwandelt.

Lernen, gut zu versagen, indem man aus dem Versagen etwas Gutes lernt, ist ein integraler Bestandteil des christlichen Dienstes. Ein Ältester sagte mir einmal:

»Die ersten zehn Jahre des Dienstes geht es nur darum, zu zerbrechen und entblößt zu werden!«

Ich muss wohl einen Crashkurs belegt haben, denn in meinem Fall dauerte es nur fünf Jahre, bis ich Gebrochenheit und Entblößung erfuhr und als Versager abgestempelt wurde! Das war eine sehr dunkle Zeit, die ich damals durchlebte. Doch ich weiß, dass mir jene zehn Monate in der Schule des Versagens einen äußerst wertvollen Abschluss verliehen – einen Masterabschluss im guten Versagen. Leider vergesse ich immer wieder, was ich gelernt habe, sodass ich immer wieder einen Auffrischungskurs in dieser ungeliebten Schule belegen muss. Nachfolgend findest du einige der Lektionen, die Gott mir in meinem nimmer endenden Unterricht erteilt hat.

Versagen hat mich Demut gelehrt. Der Großteil meines Versagens ergab sich aus Überheblichkeit. Ich traute mir selbst zu viel und Gott zu wenig zu. Das Versagen hat mir beigebracht, mein ganzes Vertrauen auf Gott zu setzen (2Kor 3,4–5).

Versagen hat mich das Beten gelehrt. »Erfolg« hat es so an sich, dass wir dadurch verleitet werden, weniger und oberflächlicher zu beten, während Versagen tendenziell dazu führt, dass wir mehr und tiefgründiger beten.

Versagen hat mich Mitgefühl gelehrt. Wenn ich in meiner Kindererziehung, in meinem Predigtdienst, in meinem Lehrdienst, in meinen finanziellen Entscheidungen usw. nie versagt hätte, hätte ich nur wenig oder überhaupt keine Geduld, kein Mitgefühl und keine Hilfsbereitschaft übrig für andere, die versagt haben (1Kor 10,12).

Versagen hat mich gelehrt, wozu ich berufen bin (und wozu ich nicht berufen bin). Mein Versagen hat mir bewusst gemacht, dass ich für bestimmte Dinge, die ich eigentlich gerne tun würde, einfach nicht die Begabung besitze, und mich vielmehr auf die Bereiche konzentrieren sollte, für die Gott mich zugerüstet hat.

Wenn wir unser Versagen eingestehen, erfahren wir die unveränderliche Liebe und immerwährende Vergebung des Herrn.

Versagen hat mich gelehrt, die Gaben anderer zu bewundern. Wenn ich sehe, wie Menschen in Bereichen Erfolg haben, in denen ich versagt habe (insbesondere auf praktischem Gebiet, wie z.B. Streichen, Klempnerarbeiten, Schreinerarbeiten, Handwerksarbeiten, etc.), dann kann ich nicht anders, als sie zu bewundern. Dadurch, dass ich mich auf diesen Gebieten ausprobiert habe und daran gescheitert bin, bin ich dankbar für diejenigen geworden, welchen solche Dinge gelingen, ohne sich anzustrengen.

Versagen hat mich gelehrt, Erfolge auf Gott zurückzuführen. Wenn alles gut läuft, erkenne ich an, dass Gott allein derjenige war, der befähigt, geholfen und gesegnet hat, was zu noch mehr Dankbarkeit und Demut führt (1Kor 15,10).

Versagen hat mich gelehrt, Erfolg nach Gottes Maßstäben zu messen. Anstatt mich auf weltliche Erfolgsmaßstäbe, wie größere Zahlen und Finanzen zu konzentrieren, habe ich gelernt, Gottes Maßstab eines heiligen Lebens und der Treue in kleinen Dingen anzulegen (Mt 25,23).

Versagen hat mich etwas über die Bewahrung Gottes gelehrt. Die Demut und die Abhängigkeit, die ich aus meinem Versagen gewonnen habe, haben mich vor viel schlimmerem Versagen bewahrt (2Kor 12,7).

Versagen hat mich gelehrt, wie wichtig der Schlaf ist. Viele meiner Misserfolge waren darauf zurückzuführen, dass ich zu müde oder zu beschäftigt war. Wenn ich meine Zeit besser einteile und mich gut ausruhe, treffe ich bessere kurz- und langfristige Entscheidungen.

Versagen hat mich gelehrt, Christus anzubeten. Wenn ich bedenke, wie viele kleine Misserfolge ich in einer Woche habe und wie viele große Misserfolge innerhalb von zehn Jahren, dann macht mich das ehrfürchtig, wenn mir bewusst wird, dass Jesus dreiunddreißig Jahre auf dieser Erde verbrachte und nicht ein einziges Mal versagt hat! (Lk 23,4; Heb 7,26)

Versagen hat mich gelehrt, mich nach dem Himmel zu sehnen. Unser Versagen veranlasst uns, gen Himmel zu schauen, zu dem Ort, wo es kein Versagen mehr geben wird. Werden wir uns dort an unser Versagen erinnern? Wahrscheinlich, doch es wird keine schmerzliche Erinnerung sein. Wir werden uns daran erinnern, dass unser Versagen von der Vergebung Christi zugedeckt worden ist, und das wird uns veranlassen, ihn umso mehr anzubeten.

Im Himmel werden wir unser Versagen auch aus einer ganz neuen Perspektive betrachten – nicht nur unser moralisches und geistliches Versagen, sondern auch unsere zwischenmenschlichen und beruflichen Enttäuschungen. Wir werden dann Gottes weise Vorsehung darin erkennen, dass diese Beziehung auseinanderging, jenes Vorstellungsgespräch scheiterte, diese Arbeitsstelle gekündigt wurde und jene Prüfung nicht bestanden wurde.

Werden wir dort Versagen erleben? Nein, niemals. Weder wir selbst noch irgendjemand anderes wird dort versagen. Die Tränen der Enttäuschung werden Teil der Sintflut sein, die von unseren Augen abgewischt wird (Offb 21,4). Der Himmel wird sich als eine große und lange Erfolgsgeschichte erweisen: moralischer Erfolg, geistlicher Erfolg, intellektueller Erfolg, körperlicher Erfolg, zwischenmenschlicher Erfolg, beruflicher Erfolg und viele andere Erfolge, die wir uns hier noch nicht einmal erträumen können.
Unsere gegenwärtigen Misserfolge bringen uns dazu, den zukünftigen Himmel herbeizusehnen, dem Tag entgegenzueilen, an dem der Schmerz des Versagens und die Qualen der Enttäuschung ein für alle Mal vorbei sein werden und ein gottverherrlichender Erfolg alles sein wird, was wir kennen.

Dein Freund David

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