Ein junger Mann in seinen Zwanzigern sitzt wie festgenagelt auf seinem Stuhl in der Gemeinde, völlig ergriffen vom vollmächtigen Predigtdienst seines Ältesten. Die Exegese ist präzise, die Veranschaulichungen sind wirkungsvoll, der Eifer ist spürbar und seine ganze Aufmerksamkeit ist auf das Wort Gottes gerichtet. Insgeheim denkt er: »Genau das will ich einmal werden. Genau so will ich mein Leben investieren. Ich will Ältester werden.«
Preis den Herrn!
Die Gemeinde braucht unentwegt mehr Älteste. Wenn ein junger Mann sein aufrichtiges Begehren für dieses edle Amt zum Ausdruck bringt (1Tim 3,1), sollte das für die Gemeinde ein Grund zum Feiern sein.
Was aber, wenn dieser junge Mann etwas anstrebt, was er nicht versteht? Was ist, wenn er irrtümlich annimmt, die Ältestenaufgabe bestehe nur darin, großartige Predigten abzuliefern, große Veranstaltungen zu leiten, und vierzig Stunden in der Woche zu studieren, zu schreiben und zu beten?
Mit diesem Artikel beabsichtige ich nicht, jungen Männern den Ältestendienst zu vergraulen, sondern ihnen vielmehr einen deutlicheren Eindruck dessen zu vermitteln, wie das Leben eines Hirten aussieht und sie herauszufordern, die Kosten zu überschlagen, ehe sie sich auf diesen Dienst einlassen (Lk 14,25–29). Der Hirtendienst ist ein aufopfernder Dienst, der größtenteils unvorhersehbare Aspekte enthält.
Hier ist mein Appell an denjenigen, der den Ältestendienst anstrebt: Überschlage die Kosten, Bruder.
1. Überschlage die seelischen Kosten
Jesus, der große Hirte, weinte über die Herde (Lk 19,41). Sein Hirtendienst war von tiefem seelischem Kummer geprägt (Lk 22,44).
Wir sind nicht größer als unser Herr (Joh 15,20). Der Dienst am Evangelium hat Jesus seelisch und emotional viel gekostet – und das wird auch bei uns der Fall sein. Treuebrüche und der Umstand, dass Menschen vom Glauben abfallen, werden dich erschüttern. Du wirst von Schreibblockaden geplagt werden. Du wirst frustriert, betrübt und verletzt sein, wenn sich die Schafe gegenseitig beißen. Und weil Jesus dich liebt, wird er dich demütigen (2Kor 12,7–10). Der Hirtendienst ist kein Zuckerschlecken – und das soll er auch nicht sein.
Die gute Nachricht ist, dass Gott seine Kraft durch deine seelische Schwachheit wirken wird. Doch du kannst dir dessen sicher sein, dass der Dienst dir seelisch so einiges abverlangen wird (2Kor 11,28; Phil 2,28). Wenn das nicht der Fall ist, dann stimmt irgendetwas nicht.
2. Überschlage die familiären Kosten
Eine Familie zu haben, die gemeinsam mit dir in dieser Arbeit steht, ist in vielerlei Hinsicht ein Segen (1Kor 9,5). Doch jene, die nach dem Ältestenamt streben, sollten sich bewusst sein, dass ihre Familie die Kosten des Dienstes mit ihnen gemeinsam trägt.
Nur wenig von deinem Familienleben wird von den Anfechtungen und Schwierigkeiten des Dienstes unberührt bleiben. Dies ist nicht theoretisch. Ich rede von deiner Frau und deinen Kindern. Kind eines Ältesten zu sein, bringt, selbst in einer gesunden Gemeinde, Herausforderungen mit sich. Frau eines Ältesten zu sein, kann einen, selbst in einer äußerstgesunden Gemeinde, echt auf die Probe stellen. Obwohl du selbst die Hauptzielscheibe sein wirst, wird deine Familie mit Sicherheit einige der Granatsplitter abbekommen.
Die Nähe der Familie des Ältesten zur Gemeinde bringt ohne Frage einen einzigartigen Segen mit sich! Doch in einer gefallenen Welt gibt es keinen uneingeschränkten Segen. Selbst in Gemeinden, wo »Frau eines Ältesten« nicht als Amt angesehen wird und wo man den Kindern des Ältesten gestattet, einfach Kinder zu sein, wird deine Familie das Leben in der Ortsgemeinde anders erleben als jeder andere. Und manchmal gehören schmerzliche Erfahrungen mit dazu.
3. Überschlage die geistlichen Kosten
Mein Freund Shai Linne sagt, dass Satan besondere, feurige Pfeile nur für Älteste bereithält. Ich glaube, dass er recht hat, insbesondere, wenn du der Hauptälteste bist, der am Wort dient.
Selbst in Gemeinden, wo die Kanzel mit anderen geteilt wird, wird der Hauptälteste den Löwenanteil des öffentlichen Lehrdienstes übernehmen, was darauf hinausläuft, dass seine Worte seitens der Gemeindeglieder auf die Waagschale gelegt werden. Er redet mehr, was dazu führt, dass seine Fehler im Dienst umso mehr zur Geltung kommen. Der Kanzeldienst des Hauptältesten repräsentiert die Lehrposition der Gemeinde, was darauf hinausläuft, dass er zum Blitzableiter für Kontroversen, Meinungsverschiedenheiten und Angriffe wird.
Älteste müssen so wie Mose Kritik (4Mo 12,1), so wie Joseph falsche Anschuldigungen (1Mo 39,11–20), so wie Paulus Preisgabe und Verrat (2Tim 4,10) ertragen und so wie Jesus ihr Kreuz der aufopfernden Liebe auf sich nehmen können (Joh 13,34).
4. Überschlage die körperlichen Kosten
Wahrscheinlich hast du schon einmal die Vergleichsfotos gesehen, auf denen US-Präsidenten am Anfang ihrer ersten Amtszeit und am Ende ihrer zweiten Amtszeit dargestellt werden. Auf dem ersten Bild sieht der gerade ins Amt gekommene Präsident noch recht jung, lebensstrotzend und stark aus. Im zweiten Bild sieht der Altpräsident recht mitgenommen, müde und betagt aus. Schwere Jobs zehren an den Körperkräften. Bei dem Ältestendienst verhält es sich ähnlich wie bei anderen Segen in einer gefallenen Welt: Echt gut, aber auch echt schwierig.
Frühe Morgenstunden und schlaflose Nächte sind allzu häufig. Ein vollgepackter Dienstplan kann leicht dazu führen, dass einem keine Zeit für regelmäßige Bewegung bleibt. Es kommt recht häufig zu stressbedingten Essstörungen (sei es, dass man zu viel oder zu wenig Nahrung zu sich nimmt).
Wir mögen unseren Körper zwar gerne für eisern halten, doch die Schrift informiert uns darüber, dass er eher irdenen Gefäßen gleicht (2Kor 4,7), die unter ständigem Druck dazu neigen, schnell Risse zu bekommen.
Schlussfolgerung
Der junge Mann, der ehrfürchtig den öffentlichen Kanzeldienst betrachtet, muss wissen, dass der Älteste, der zu den Gemeindegliedern predigt, auch den Hirtendienst an ihnen tun muss.
Die Aufgabe eines Unterhirten in der Gemeinde Gottes wahrzunehmen, ist eine edle Berufung und ein gutinvestiertes Leben (1Tim 3,1). Doch wer das Ältestenamt anstrebt, darf niemals vergessen, dass die Berufung zum Ältesten eine Berufung zum Leiden ist.
Es ist mein Gebet, dass sich mancher junge Mann, der diesen Artikel liest, durch die Gnade Gottes mobilisieren lässt und eine solche Berufung annimmt in dem Wissen, dass die Leiden der jetzigen Zeit nicht ins Gewicht fallen gegenüber der Herrlichkeit, die an uns geoffenbart werden soll (Röm 8,18; 1Pet 5,10).