Die Inspiration der Schrift

Offenbarung bedeutet, dass Gott (der Schöpfer) der Menschheit Wahrheit über sich selbst vermittelt. Gemäß der Schrift gibt es zwei Formen von Offenbarung: die allgemeine Offenbarung (Ps 19,2–7) und die besondere Offenbarung (Ps 19,8–15).
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Inspiration der Schrift
Lesezeit: 7 Minuten

Gott offenbart sich

Gott ergriff die Initiative, um sich der Menschheit zu offenbaren (Heb 1,1). Die Kanäle der Offenbarung variierten; manchmal offenbarte er sich durch die Schöpfungsordnung, andere Male durch Visionen oder Träume oder durch Propheten (Heb 1,1–3). Die gründlichsten und verständlichsten Selbstoffenbarungen Gottes sind die Aussagen der Bibel (1Kor 2,6–16). Das geschriebene Wort Gottes ist die einzige Offenbarung Gottes, die die Sündhaftigkeit des Menschen und den Rettungsplan Gottes entfaltet.

Die Offenbarung Gottes wurde mittels der Inspiration in den Schriften der Bibel festgehalten. Bei der Inspiration geht es mehr um den Prozess, durch den Gott sich offenbart, als um die Tatsache seiner Selbstoffenbarung. 2. Timotheus 3,16 erhebt diesen Anspruch, wenn darin festgestellt wird: »Alle Schrift ist von Gott eingegeben.« Petrus erläutert diesen Vorgang:

»Indem ihr dies zuerst wisst, dass keine Weissagung der Schrift von eigener Auslegung ist. Denn die Weissagung wurde niemals durch den Willen des Menschen hervorgebracht, sondern heilige Menschen Gottes redeten, getrieben vom Heiligen Geist« (2Pet 1,20–21).

Dadurch wurde das Wort Gottes bei der ursprünglichen Abfassung durch den Dienst des Heiligen Geistes vor menschlichen Irrtümern bewahrt (vgl. 5Mo 18,18; Mt 1,22). Sacharja beschreibt den Prozess der Inspiration besonders deutlich: »… das Gesetz … [und] die Worte, die der Herr der Heerscharen durch seinen Geist mittels der früheren Propheten sandte« (Sach 7,12). Dieser Dienst des Geistes erstreckte sich sowohl auf die einzelnen Teile (die Wörter) als auch auf die Gesamtheit der ursprünglichen Schriften.

Per Definition und in Bezug auf die Offenbarung bestehen fundamentale Unterschiede zwischen dem endlichen Geschöpf und dem unendlichen Schöpfer. Gott hat unendliches und vollkommenes Wissen, während der Mensch nur endliches und unvollkommenes Wissen besitzt. Ja, die Menschen können unabhängig von der Schrift nicht einmal völlig wissen, was die Schöpfung offenbart. Offenbarung bedeutet, dass Gott (der Schöpfer) der Menschheit Wahrheit über sich selbst vermittelt. Gemäß der Schrift gibt es zwei Formen von Offenbarung: die allgemeine Offenbarung (Ps 19,2–7) und die besondere Offenbarung (Ps 19,8–15).

Die allgemeine Offenbarung

Die allgemeine Offenbarung ist Gottes Zeugnis über sich selbst, und zwar mittels der Schöpfung an seine Geschöpfe. David erklärt es so:

»Die Himmel erzählen die Herrlichkeit Gottes, und die Ausdehnung verkündet seiner Hände Werk« (Ps 19,2).

Wenn jemand zum Himmel emporschaut, bezeugt das Universum selbst die Tatsache, dass es einen Schöpfer hat – und das ist überwältigend. Der Begriff »Herrlichkeit« [Hebr. kāḇôḏ, von kāḇēḏ = »schwer, gewichtig sein«] spricht wörtlich von Gottes »Gewicht«, seiner Wichtigkeit oder Bedeutung und Eindrücklichkeit, und das ist genau das, was sich uns zeigt, wenn wir am Tag oder in der Nacht zum Himmel aufschauen. Der, der dieses Universum geschaffen hat, muss in der Tat ehrfurchtgebietend und machtvoll sein, wenn er all dies ins Dasein gerufen hat. Und das Zeugnis der Schöpfung über den Schöpfer ist beständig. David schreibt weiter:

»Ein Tag berichtet es dem anderen, und eine Nacht meldet der anderen die Kunde« (Ps 19,3).

Obwohl es ein beschränktes Zeugnis ist, weil es nichtverbal ist, ist es dennoch für alle an allen Orten zugänglich:

Keine Rede und keine Worte,
doch gehört wird ihre Stimme.
Ihre Mess-Schnur [o. Stimme] geht aus über die ganze Erde, und ihre Sprache bis an das Ende des Erdkreises.
(Ps 19,4–5; vgl. Apg 14,17; 17,23–31; Röm 1,18–25; 10,18)

Aufgrund der allgemeinen Offenbarung erkennt man etwas von Gottes Weisheit und Macht. Je mehr jemand die unendlichen Weiten des Weltalls oder auch die kleinsten Partikel der Molekularstruktur erforscht, desto mehr ist er gedrängt, mit Staunen und Ehrfurcht die wahre Größe des Schöpfers anzuerkennen. Es ist ähnlich, wie wenn man ein kunstvolles Gemälde betrachtet und das Genie des Künstlers würdigt, indem man alles bewundert, angefangen von der Wahl der Farben bis hin zum Winkel der Pinselstriche. Ebenso kann man zahllose Pinselstriche und Farbschattierungen in der Schöpfung beobachten. Die Weite des Ozeans, die unauslotbare Tiefe der See, und das Rauschen und die Gewalt jeder Welle, wenn sie auf den Strand trifft – all dies und vieles mehr spricht von der Macht Gottes. Gleichzeitig wird durch den Wasserkreislauf, durch den die Erde bewässert und das Leben erhalten wird, die Güte ihres Schöpfers bezeugt. Dass Regen auf die Felder derer fällt, die Gott lieben und verehren, und ebenso derer, die es nicht tun, offenbart die Liebe, die Gott zu allen seinen Geschöpfen hat (Mt 5,45). Für die Gläubigen kann Gottes vorhersehende Fürsorge, alle Dinge zu ihrem Guten mitwirken zu lassen (Röm 8,28), auch zur Kategorie seiner allgemeinen Offenbarung gezählt werden – obgleich die Lehre von der Vorsehung sich aus Verheißungen ableitet, die in der besonderen Offenbarung gegeben werden. Alle diese Dinge und viele mehr bezeugen die Größe des Schöpfers.

Eine andere Form allgemeiner Offenbarung ergänzt das, was in der Schöpfung beobachtet werden kann, um das, was man im Menschen selbst beobachten kann: die innewohnende Kenntnis von Richtig und Falsch und das Werk des Gewissens, das Sünder anklagt, so dass sie verurteilt vor ihrem Schöpfer und Richter stehen. Paulus drückt es so aus:

»Denn wenn Nationen, die kein Gesetz haben, von Natur die Dinge des Gesetzes ausüben, so sind diese, die kein Gesetz haben, sich selbst ein Gesetz, solche, die das Werk des Gesetzes geschrieben zeigen in ihren Herzen, wobei ihr Gewissen mitzeugt und ihre Gedanken sich untereinander anklagen oder auch entschuldigen« (Röm 2,14–15).

Die Schöpfung zeugt nicht nur von der unendlichen Macht und Weisheit ihres Schöpfers, sondern wirkt auch mit dem angeborenen Wissen zusammen, das Gott in den Menschen gepflanzt hat, um ein Bewusstsein von Sünde und Gericht hervorzurufen. Salomo bestätigt, dass der Mensch weiß, dass es im Leben mehr gibt als nur diese physische Existenz: Gott hat ein Bewusstsein von der Ewigkeit in das Herz des Menschen gelegt (Pred 3,11). Jeder Mensch beginnt mit dem innerlichen Begreifen der Tatsache, dass der Mensch zwar endlich ist, dass es aber in seiner Existenz um mehr geht als nur diese zeitlich begrenzte Wirklichkeit.

Während die allgemeine Offenbarung sehr viel von der Macht, Weisheit, Güte, Gerechtigkeit und Majestät des Schöpfers vermittelt, ist sie auf das beschränkt, was durch den sündigen Menschen beobachtet werden kann. Das letztendliche Ziel der allgemeinen Offenbarung ist es, den Menschen keine Entschuldigung dafür zu lassen, dass sie das Wesen ihres Schöpfers nicht erkannt und anerkannt haben. Aber sie vermittelt nichts von der Art und Weise, wie ein gefallener Mensch Zugang zu seinem Schöpfer gewinnen oder sich mit ihm versöhnen kann, um dem Gericht zu entkommen. Deshalb hat Gott es für notwendig befunden, sich auch direkt durch die besondere Offenbarung zu manifestieren. Er tat es auf eine solche Weise, dass gefallene Menschen erkennen können (1) die Fülle Gottes, (2) wie sie von Gottes Zorn gegenüber Sündern erlöst werden können und (3) wie sie zur Freude Gottes leben können.

Verschiedene abschließende Beobachtungen können anhand der Bibel über die allgemeine Offenbarung gemacht werden:

  1. Sie will nur Erkenntnis von Gott vermitteln, nicht Erkenntnis aller denkbaren Dinge.
  2. Die Zeitspanne umschließt alle Zeiten, nicht nur die jüngere Zeit.
  3. Ihr Zeugnis gilt allen Menschen, nicht nur einigen wenigen mit naturwissenschaftlicher Ausbildung.
  4. Der Zugang zu ihr geschieht über die Sinnesorgane, nicht über wissenschaftliche Geräte oder Technik.
  5. Der gesamte Umfang der allgemeinen Offenbarung war unmittelbar nach der Schöpfung zugänglich; sie hat sich mit dem Ablauf der Zeit und der zunehmenden Anhäufung von Kenntnis nicht vermehrt. Wir dürfen Gottes allgemeiner Offenbarung nicht einen Zweck zuschreiben, den sie gemäß der Bibel, der besonderen Offenbarung Gottes, nicht hat. Dies zu tun, würde das Undenkbare bedeuten, nämlich ohne Autorisierung Gottes etwas zur Schrift hinzuzufügen. Niemand kann durch die allgemeine Offenbarung errettet werden (Röm 10,5–17; 1Kor 1,18–2,5).

Die besondere Offenbarung

Gott gebraucht eine besondere Offenbarung, wenn er sich direkt und in größerem Detail offenbart. Gott hat dies getan durch (1) direkte Handlungen, (2) Träume und Gesichte, (3) die Menschwerdung Christi und (4) die Schrift. Gott hat sich durch direkte Handlungen zu verschiedenen Zeiten und auf verschiedene Weisen im Lauf der Heilsgeschichte offenbart (Heb 1,1). Er sprach direkt mit Adam im Garten Eden (1Mo 2,16–17; 3,9.11). Er redete hörbar zum Volk Israel am Sinai (5Mo 5,4). Er sprach mit Mose persönlich und bekräftigte sein Zeugnis durch viele machtvolle Zeichen und Wunder (5Mo 34,10–12). Gott wirkte Wunder an entscheidenden Punkten in der Heilsgeschichte, um seine Zeugen zu bestätigen (2Mo 3–14), einschließlich der hörbaren Bestätigung des Sohnes durch den Vater bei drei verschiedenen Ereignissen (Mt 3,17; 17,5; Joh 12,28).
Gott offenbarte sich auch direkt durch Träume und Gesichte. Er gab Jesaja ein Gesicht vom Sohn Gottes in der Herrlichkeit seiner Präexistenz (Jes 6,1–4). Gott offenbarte sich Daniel wiederholt, einmal als direkte Antwort auf seine Fürbitte für das Volk Israel (Dan 9,20–21). Der Apostel Johannes sah auf der Insel Patmos im Gesicht den auferstandenen Herrn Jesus Christus in voller Herrlichkeit (Offb 1,10–16). In jedem dieser Fälle offenbarte sich Gott einem Propheten, indem er ihm eine besondere Offenbarung schenkte.

Die vollendete besondere Offenbarung ist die Menschwerdung des Sohnes. Gott der Schöpfer nahm die Beschränkungen menschlichen Fleisches auf sich und wohnte unter seinen Geschöpfen (Joh 1,1–5.14). Obwohl er nicht allgemein als der erkannt und anerkannt wurde, der er wirklich war (Joh 1,10–11), offenbarte er dennoch den Menschen die Fülle der Person Gottes (Joh 14,9–10). Jesus wird beschrieben als das »Bild des unsichtbaren Gottes« (Kol 1,15) und war das »getreue Abbild seines Wesens« (Heb 1,3 SCH2000 Fn.). Jesus war eine vollkommene Offenbarung Gottes an die Menschen. Er war die exakte Darstellung dessen, wer Gott ist und wie er ist.
Eine gleichermaßen autoritative Form besonderer Offenbarung ist die Bibel. Während das fleischgewordene Wort eine exakte Verkörperung des göttlichen Schöpfers ist, ist die Schrift gleicherweise eine besondere und göttliche Offenbarung vonseiten Gottes an die Menschen (Heb 1,1). Es ist ein fixiertes geschriebenes Zeugnis vom Schöpfer an seine Geschöpfe. Es wurde über einen Zeitraum von mehr als fünfzehnhundert Jahren von vierzig verschiedenen menschlichen Autoren verfasst. Aber was verfasst wurde, war mehr als die Worte von Menschen. Es waren die inspirierten Worte Gottes selbst.

Die Überlegenheit dieses Zeugnisses über die allgemeine Offenbarung wird von David bezeugt (Ps 19,8–12). Die Schrift offenbart dem Menschen die Gedanken Gottes, die Wege Gottes, die Gerechtigkeit Gottes und die Mittel, durch die der Mensch Gott gefallen kann. Sie ist der allgemeinen Offenbarung überlegen, weil sie konkret und verbal ist. Sie ist eine schriftliche Offenbarung vonseiten Gottes durch seine Apostel und Propheten (5Mo 8,3; Mt 4,4) und ist dadurch ein dauerhaftes und für immer fixiertes Zeugnis vom unwandelbaren Gott (2Sam 22,31; Ps 18,31; Spr 30,5–6; Jer 26,2).

Um die qualitativen und die funktionalen Unterschiede zwischen allgemeiner und besonderer Offenbarung vollständig zu erfassen, muss man nur die folgenden drei Gegensätze zwischen beiden bedenken.

  1. Die Mittel der allgemeinen Offenbarung in der Natur werden vergehen (Jes 40,8; Mt 24,35; Mk 13,31; Lk 21,33; 1Pet 1,24; 2Pet 3,10), aber das Wort der besonderen Offenbarung wird nicht vergehen, es besteht ewig (Ps 119,89; Jes 40,8; Mt 24,35; Mk 13,31; Lk 21,33; 1Pet 1,25).
  2. Die Mittel der allgemeinen Offenbarung, die Schöpfung, wurden verflucht und unterliegen der Knechtschaft des Verderbens (1Mo 3,1–24; Röm 8,19–23). Es ist deshalb nicht die vollkommene Welt, die Gott ursprünglich erschaffen hatte (1Mo 1,31). Das Wort der besonderen Offenbarung jedoch ist von Gott inspiriert und deshalb stets vollkommen und heilig (Ps 19,8–10; 119,140; 2Tim 3,16; Röm 7,12).
  3. Die Reichweite der allgemeinen Offenbarung in der Natur ist in schwerwiegender Weise begrenzt im Vergleich zu der mehrdimensionalen Weite der besonderen Offenbarung in der Schrift. Um diese Gedanken zu erweitern und zu verdeutlichen sind in Tabelle 2.2 weitere Unterschiede aufgelistet.

 

Dieser Artikel ist ein Auszug aus „Biblische Lehre – Eine systematische Zusammenfassung biblischer Wahrheit“. (Kapitel II – 1.1: Inspiration der Schrift)

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