Im ersten Artikel haben wir uns Diotrephes angeschaut, jenes Individuum, das für die Gemeinde eine Gefahr darstellt. (3Joh 9–10). Heute werden wir uns sechs weitere seiner Erkennungsmerkmale anschauen.
5. Er legt Verblendung und Selbstbetrug an den Tag
Diotrephes »nimmt uns nicht an« (3Joh 9b), heißt es dort. Leider ist er so blind, dass er gottesfürchtigen Rat in seinem Leben zurückweist. Sein Selbstbetrug erinnert an den von Ussija in 2. Chronik 26.
»Als er aber stark geworden war, überhob sich sein Herz zu seinem Verderben, und er versündigte sich an dem Herrn, seinem Gott, indem er in die Tempelhalle des Herrn ging, um auf dem Räucheraltar zu räuchern. Aber der Priester Asarja ging ihm nach, und Priester des Herrn mit ihm, vortreffliche Männer« (2Chr 26,16–17).
Mit dem Diotrephes-Syndrom infiziert, widersetzt sich Ussija einer Menge von gottesfürchtigen Ratgebern. Achtzig, um genau zu sein. Dabei handelt es sich um eine verheerende Verblendung und um einen katastrophalen Selbstbetrug.
Der Stolz macht einen blind und verleitet zu dem Gedanken, »Diese gottesfürchtigen Menschen in meinem Leben, die alle erdenklichen Unannehmlichkeiten in Kauf nehmen, um mich zu konfrontieren, haben alle unrecht und ich, in meiner Sünde, bin rechtschaffen.« Das ist die Logik des Diotrephes und sie ist tragisch.
Einer meiner Mentoren sagte mir einmal, dass gottesfürchtige Gläubige und Mitverantwortliche in der Gemeinde in unserem Leben so wie Spiegel sind, die uns umgeben. Derjenige, der eine Menge Korrektur zurückweist und verschmäht, ist wie der Typ, der mitten im Raum steht und aus jedem Blickwinkel von fünf Spiegeln umgeben ist und behauptet, dass ihn jeder dieser Spiegel anlügt. In Anbetracht der Unmenge von Schriftabschnitten, die uns ermahnen, Rat anzunehmen (z.B. Spr 10,8; 10,17; 12,15, 15,10; 15,12; 29,1), obliegt es uns, eine zuhörende Haltung einzunehmen.
Hier ist die Gefahr, in der sich Diotrephes angesichts seines unbelehrbaren Geistes befindet: Diotrephes hält sich niemals für Diotrephes. Er geht nie davon aus, dass er Selbstbetrug erlegen ist. Deswegen muss Diotrephes beurteilt werden – nicht von sich selbst, sondern von gottesfürchtigen Männern um ihn herum. Er braucht Männer und Leiter in seinem Leben, die von Gott anerkannt und biblisch ernannt worden sind.
6. Er ist auf arrogante Weise sich selbst gegenüber arglos
Diotrephes beteuert normalerweise gute Lehre. Typischerweise ist er in der Lage, die Schlüssellehren des Glaubens zu artikulieren. Insbesondere betont er, »Natürlich glaube ich an die Verdorbenheit des Menschen. Wir sind alle Sünder. Wir haben noch Sünde in uns und werden erst verherrlicht, wenn wir den Herrn sehen.« Schön und gut. Doch die Gefahr besteht darin, dass Diotrephes die Lehre der Verderbtheit nicht auf sich selbst anwendet. Tragischerweise versäumt er es, zu folgendem wichtigen Schluss zu kommen: Da Sünde in wiedergeborenen Menschen noch zugegen ist und da Sünde zu Selbstbetrug führen kann, müssen wir bisweilen uns selbst gegenüber misstrauisch sein. Das trifft insbesondere zu, wenn gottesfürchtige Gläubige Bedenken anmelden, was unseren Charakter anbelangt.
Doch Diotrephes ist auf arrogante Weise sich selbst gegenüber arglos. Eine Menge von gottesfürchtigen Männern haben sich ihm angeboten, um ihm zu helfen, doch er weist sie ab. Sein Hochmut veranlasst ihn zum Selbstbetrug und er legt ein Selbstbewusstsein an den Tag, das in Anbetracht seines unvollkommenen Zustands ungerechtfertigt ist.
Diotrephes wird wahrscheinlich eine Gemeinde finden, die ihn nach nur kurzer Zeit eine Leitungsaufgabe gibt. Schwache Leitungskreise, die sich von seiner koketten, den-Stier-bei-den-Hörnern-packenden Einstellung leicht manipulieren und in den Bann schlagen lassen, werden ihm verfrüht die Hände auflegen. Was noch schlimmer ist, ist der Umstand, dass Diotrephes nicht innehält, eine biblische Hamartiologie (d.h. biblische Lehre bezüglich der Sünde) anwendet und sich sagt, »Hmm, ich bin weder Jesus, noch bin ich bereits verherrlicht. Die Schrift sagt, dass sich Männer bewähren müssen. Vielleicht brauche ich mehr Zeit, trotzdem mich der Leitungskreis so schnell befördert hat.«
7. Er muss öffentlich angeprangert werden
Johannes schreibt, »Darum will ich ihm, wenn ich komme, seine Werke vorhalten, die er tut . . . (3Joh 10a; Hervorhebung hinzugefügt). Außerdem hatte er ihn im vorhergehenden Vers beim Namen genannt. Der Grund dafür ist, dass Diotrephes öffentlich angeprangert werden muss. Das ist genauso wichtig, wie das Hinweisen auf einen angeknacksten Stützbalken in deinem Haus und das Abhilfeschaffen bezüglich desselben.
Diotrephes kann den Leuten der Herde großen Schaden zufügen, insbesondere jenen unter ihnen, die erst seit kurzer Zeit gläubig und somit für Irrtum anfälliger sind.
Das öffentliche Entlarven des Diotrephes ist ein schmerzlicher, aber notwendiger Schritt, der aus Liebe für Christus, für dessen Ruf und zum Schutze seiner bluterkauften Herde geschehen muss. Um die Ehre seines Herrn besorgt, musste auch der Apostel Paulus diesen Schritt tun (1Tim 1,20).
8. Er verleumdet biblisch qualifizierte und bestätigte Leiter, die seine Sünde konfrontieren
Beachte die traurige Taktik des Diotrephes: »Darum will ich ihm, wenn ich komme, seine Werke vorhalten, die er tut, indem er uns mit bösen Worten verleumdet« (3Joh 10a). Er verleumdete den Apostel Johannes und andere Gemeindeverantwortliche, die ihm helfen wollten. Traurigerweise sieht er sich gezwungen, dies zu tun, wenn er nicht Buße tun will. Warum? Er versteht, dass Gott jeden Gläubigen beruft, seitens eines durch die Ortsgemeinde biblisch ernannten Ältestenkreises einen Hirtendienst an sich vollziehen zu lassen. Wenn ihn diese Ältesten ihn hirtenhaft anleiten, dem Stolz abzusagen und sich in die vergebenden und verändernden Arme Christi zu begeben und er sich weigert, dann bleibt ihm nur noch eine Richtung offen, in die er gehen kann. Damit Diotrephes weiterhin von seiner vermeintlich eigenen Wichtigkeit betört bleiben kann, muss er seinen tragischen Kurs beibehalten. Er ist somit darauf angewiesen, die Menschen, die ihn konfrontieren, außer Kraft zu setzen, abzutun und sie für nichtig zu erklären. Wenn ihm dies gelingt, hat er für die nötige Bekräftigung gesorgt, um in seiner Sünde zu verharren. Zudem muss er eine Möglichkeit finden, die Lehre jener zu entkräftigen, die den Hirtendienst an ihm tun. In Bitterkeit schmorend, könnte er sich darauf verlegen, die in der Vergangenheit geäußerten Worte eines Lehrers zu verdrehen, da ihn dieses Vorgehen in seinem Geltungsbedürfnis weiterhin bekräftigt.
Er ist ein gefährlicher Mann. Er dreht sich um sich selbst. Wenn er von Männern konfrontiert wird, liegt es nicht an ihm, sondern an ihnen. Im Grunde bringt er somit zum Ausdruck, »Ich bin hier der Maßstab und nicht einmal der Maßstab Gottes kann mich in Frage stellen.«
9. Sein Leben weist Begleitsünden auf
Johannes fährt fort, ». . . und damit nicht genug« (3Joh 10c). Diotrephes war mit den bisher erwähnten Sünden noch nicht zufrieden. Sein ungekreuzigter Stolz gebiert zusätzliche Begleitsünden. Das wird stets der Fall sein. Da er dem Fleisch sät, wird er auch andere Sünden in seinem Leben aufweisen, die sich daraus ergeben. Er kann seine Sünde nicht isoliert halten. Warum? Wenn wir das Fleisch nicht in jeder Hinsicht kreuzigen, findet es eine weitere Schwachstelle.
Stell dir einmal vor, dass das gesamte Grundwasserreservoir aus zehn nahebeieinanderliegenden Springquellen bzw. Geysiren bestehen würde. Nehmen wir einmal an, dass es möglich wäre, all diese Springquellen zu verschließen. Selbst das würde nicht ausreichen, um zu verhindern, dass das Wasser hervorsprudelt. Das superheiße Wasser sucht sich eine andere Schwachstelle im Boden, um durchzubrechen, da die Quelle selbst nicht zum Versiegen gebracht wurde. Gleichermaßen verhält es sich mit dem Fleisch in unserem Leben, das nicht gekreuzigt worden ist. Wenn ein starkes Verlangen nach Anerkennung und Signifikanz geduldet wird, wächst es und verdirbt somit auch andere Bereiche des Denkens und Lebens. Das Christenleben lässt sich nicht in unabhängige, voneinander abgeschottete Bereiche unterteilen.
10. Er sieht andere vernünftige Leiter und Gläubige als Hindernisse, die seiner Prominenz im Weg stehen.
Schließlich schreibt Johannes, ». . . er selbst nimmt die Brüder nicht auf und verwehrt es auch denen, die es tun wollen, und stößt sie aus der Gemeinde hinaus« (3Joh 10d). Der Apostel hatte veranlasst, dass vernünftige, gleichgesinnte Brüder der Gemeinde, in der sich Diotrephes breitmachen wollte, einen Besuch abstatten. Doch irgendwie warf er sie hinaus. Er hielt sogar andere davon ab, ihnen Quartier zu geben und sie willkommen zu heißen.
Hier haben wir es mit einer schrecklichen Situation zu tun: Diotrephes ist es tatsächlich gelungen, sich eine einflussreiche Stellung in der Gemeinde zu erschleichen. Wenn er Leute rauswirft, muss er eine offizielle Gewichtigkeit mitbringen. Wahrscheinlich hatte er Menschen manipuliert und eingeschüchtert, um zu dieser Position zu gelangen. Doch anscheinend kamen gesunde Gläubige und Verantwortliche in die Gemeinde, denen das Geltungsbedürfnis des Diotrephes nicht entging. Wahrscheinlich konfrontierten sie ihn diesbezüglich. Demzufolge sieht Diotrephes sie als Bedrohung. Biblisch qualifizierte und berechtigte Leiter stehen der Befriedigung seines Geltungsbedürfnisses im Wege. Diotrephes weiß es. Qualifizierte Leiter stehen seiner Selbstherrlichkeit im Wege. Folglich sucht sich Diotrephes gerne Gemeinden aus, die zwar nahezu biblisch gesund sind, wo es allerdings keine biblisch qualifizierten Leiter gibt. Dadurch reduziert er die Hindernisse, die der Befriedigung seines Geltungsbedürfnisses im Wege stehen.
Leider ist Diotrephes nicht selten anzutreffen. Mit Gottes Gnade muss er seinen Blick von der eigenen Ehre abwenden und ihn der Ehre des Herrn Jesus Christus zuwenden. Sein Herz muss vom majestätischen und demütigen Sohn Gottes erweicht werden, der den Himmel verließ, sich in Menschheit hüllte und sein Leben für die Schafe gab. Er, dessen Joch sanft und dessen Last leicht ist, muss in den Mittelpunkt der Zuneigung des Diotrephes rücken, anstatt dessen Leidenschaft für Anerkennung.
Ein letzter Gedanke noch. In Anbetracht des Befehls unseres Herrn, den Balken aus unserem eigenen Auge zu entfernen, tun wir gut daran, wenn wir uns davor hüten, nur an die Sünden der anderen zu denken. Da wir weder Jesus noch bereits im Himmel sind, ist es unserem Herrn daran gelegen, dass wir die obigen Erkenntnisse gegen unsere eigene Sünde ins Feld führen. Christus ist unser demütiger, sanftmütiger, erhöhter Herr, der für seine Gemeinde einen gigantischen Preis bezahlt hat. Diejenigen, die sich zu ihm bekennen und seinen Namen in den Mund nehmen, sind es ihm schuldig, sich zu seinen Füßen zu demütigen und ihre persönliche Heiligung zur Priorität zu machen.