Zweckbestimmungen der Gemeinde
Vom Standpunkt der Heilsgeschichte aus gesehen, existiert die Gemeinde, um die Weisheit und das Erbarmen Gottes in diesem Zeitalter zu offenbaren (Eph 3,10; vgl. Röm 9,23–24; 11,33; 1Kor 1,20–31), indem sie das Evangelium von Jesus Christus in der ganzen Welt verkündigt (Mt 28,19–20; Apg 1,8; 1Pet 2,9), so dass Sünder aus jedem ethnischen Hintergrund (Offb 5,9–10) aus der Gewalt der Finsternis befreit und in das Reich Gottes versetzt werden (Kol 1,12–13), und damit dadurch das ungläubige Israel zu Eifersucht und Buße angereizt werde (Röm 10,19; 11,11). Schaut man in die Zukunft, dann verheißt das Neue Testament zudem, dass die Gemeinde eines Tages mit Christus in Herrlichkeit herrschen wird (1Kor 6,2; vgl. 2Tim 2,11–13; Offb 20,4–6).
Vom Blickpunkt der Beziehung der Gemeinde zu ihren Gliedern könnte man ihre Zweckbestimmung wie folgt darstellen: Die Gemeinde existiert, um Gott zu verherrlichen (Eph 1,5–6.12–14; 3,20–21; 2Thes 1,12), indem sie ihre Glieder aktiv im Glauben erbaut (Eph 4,12–16), treu das Wort lehrt (2Tim 2,15; 3,16–17), regelmäßig die Verordnungen von Taufe und Abendmahl befolgt (Lk 22,19; Apg 2,38–42), aktiv die Gemeinschaft unter den Gläubigen fördert (Apg 2,42–47; 1Joh 1,3) und den Verlorenen mutig die Wahrheit des Evangeliums verkündigt (Mt 28,19–20). Diese Bestimmung kann unter den folgenden drei Überschriften zusammengefasst werden.
Der Zweck der Gemeinde: Gott verherrlichen
Weil Gott eifersüchtig über seine Herrlichkeit wacht (Jes 48,9–11; vgl. Jes 43,6–7; 49,3), sollten auch die Seinen von der Sehnsucht, ihn zu verherrlichen und zu erheben (1Kor 10,31; vgl. 6,20), durchdrungen sein. Infolgedessen steht bei einer treuen Gemeinde Gott im Mittelpunkt, nicht der Mensch. Die Gemeinde wurde erlöst, damit die Gläubigen Gott verherrlichen (1Pet 2,5), einander dienen (1Pet 4,11) und »die Tugenden dessen verkündig[en], der [sie] berufen hat aus der Finsternis zu seinem wunderbaren Licht« (1Pet 2,9).
Die Gemeinde erhebt Gott vor allem durch Anbetung. Wann immer die Gemeinde zusammenkommt, sollte Anbetung den Vorrang haben (vgl. Joh 4,23–24). Anbetung besteht darin, dass man Gott die Ehre zuschreibt, die ihm gebührt, indem man seine Herrlichkeit proklamiert, sowohl mit Worten des Lobes (z. B. Ps 29,2; 95,6; 99,5.9; Heb 12,28) als auch durch ein Leben in gehorsamer Hingabe (Röm 12,1). Zu wahrer Anbetung gehört notwendigerweise die Erhebung Jesu Christi, den der Vater hoch erhoben hat, indem er ihm einen Namen gegeben hat, der über jeden Namen ist (Phil 2,9; vgl. Apg 5,31). Christus ist »höher als die Himmel geworden« (Heb 7,26). Die Erlösten werden in alle Ewigkeit seinen Namen preisen (vgl. Offb 4,10; 5,12–13; 7,12; 14,7; 15,4). Bis dahin ist die Gemeinde der eine Ort auf der Erde, wo der Name Christi wahrhaftig und aufrichtig erhoben wird.
Der Zweck der Gemeinde: Die Gläubigen erbauen
In 1. Korinther 14 beschreibt Paulus eine typische Zusammenkunft in der Urgemeinde mit folgenden Worten: »Wenn ihr zusammenkommt, so hat jeder [von euch] einen Psalm, hat eine Lehre, hat eine Offenbarung, hat eine Sprache, hat eine Auslegung; alles geschehe zur Erbauung« (14,26). Ähnlich wies er die Thessalonicher an: »Ermuntert einander und erbaut einer den anderen, wie ihr auch tut« (1Thes 5,11). Eine solche Erbauung geschieht durch den Dienst des Wortes (Apg 20,32; 2Tim 3,15–17; 1Pet 2,2), die Betreuung durch gottesfürchtige Vorsteher (Eph 4,11–12), die selbstlose Ausübung geistlicher Gaben (1Kor 12,7; 1Pet 4,10) und das Praktizieren folgender Anweisungen, die alle mit »einander« zu tun haben:
- Liebt einander (Röm 12,10; 13,8; 1Thes 3,12; 4,9; 2Thes 1,3; 1Pet 1,22; 1Joh 3,11.23; 4,7.11–12; 2Joh 5).
- Lebt in Harmonie miteinander (Röm 12,16; 15,5; vgl. Gal 5,26; 1Thes 5,13).
- Nehmt einander auf (Röm 15,7; vgl. Röm 16,16).
- Ermahnt einander (Röm 15,14; Kol 3,16).
- Tragt Sorge füreinander (1Kor 12,25).
- Dient einander (Gal 5,13; 1Pet 4,10).
- Tragt einer des anderen Lasten (Gal 6,2).
- Seid geduldig miteinander (Eph 4,2; Kol 3,13).
- Seid gütig zueinander (Eph 4,32).
- Vergebt einander (Eph 4,32; Kol 3,13).
- Singt miteinander Loblieder (Eph 5,19; Kol 3,16).
- Achtet einander höher als euch selbst (Phil 2,3).
- Redet Wahrheit miteinander (Kol 3,9).
- Ermuntert einander (1Thes 4,18; 5,11; Heb 3,13; 10,25).
- Strebt nach dem Guten füreinander (1Thes 5,15).
- Reizt einander an zur Liebe und zu guten Werken (Heb 10,24; vgl. 1Tim 6,17–18).
- Bekennt einander die Sünden (Jak 5,16).
- Betet füreinander (Jak 5,16).
- Seid gastfrei gegeneinander (1Pet 4,9).
- Seid demütig gegeneinander (1Pet 5,5).
Der biblische Zusammenhang dieser Anweisungen macht deutlich, dass sie hauptsächlich dazu dienen sollen, die Beziehung des Gläubigen zu seinen Mitchristen in der Gemeinde zu regeln. Indem sie diese Grundsätze praktizieren, erfüllen Christen das zweite Große Gebot, nämlich den Nächsten zu lieben wie sich selbst (Mk 12,31; vgl. Joh 13,34; 15,12). Sie tragen dadurch zur Auferbauung des Leibes Christi bei (vgl. Röm 14,19; 15,2) und veranschaulichen die Liebe Christi vor den Augen der Welt (Joh 13,35). Dies macht die umgestaltende Kraft des Evangeliums sichtbar und nachweisbar, so dass die Botschaft als so kraftvoll erwiesen wird, wie sie es von sich bezeugt.
Der Zweck der Gemeinde: Die Verlorenen evangelisieren
Eine Gemeinde, die leidenschaftlich nach der Verherrlichung Gottes strebt, legt auch einen ebenso starken Nachdruck auf die Evangelisation, sowohl örtlich als auch in der ganzen Welt. Der evangelistische Auftrag der Gemeinde wurde von Jesus selbst in Matthäus 28,18–20 formuliert. Dort wies er seine Nachfolger an:
Mir ist alle Gewalt gegeben im Himmel und auf der Erde. Geht nun hin und macht alle Nationen zu Jüngern und tauft sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes und lehrt sie, alles zu bewahren, was ich euch geboten habe. Und siehe, ich bin bei euch alle Tage bis zur Vollendung des Zeitalters.
Der Missionsauftrag verdeutlicht, dass zu wahrer Evangelisation auch das Jüngermachen gehört (und nicht nur das Überreden von Ungläubigen zu einer Entscheidung). Wenn Sünder mit Glauben auf die Botschaft des Evangeliums reagieren, werden sie durch die Taufe in die Gemeinde aufgenommen und durch die Gemeinde mittels gesunder Belehrung zu Jüngern geformt. Das Muster des Jüngermachens wurde von Jesus selbst zugrunde gelegt, der während seines irdischen Dienstes Jünger machte (Mk 1,16–22; 2,14; Joh 8,31). Sein Beispiel soll von den Seinen fortgeführt werden. Wahre Nachfolger Christi werden zu »Menschenfischern« (Mt 4,19), das heißt, dass jeder, der ein Jünger wird, seinerseits wiederum andere zu Jüngern macht.
Die ersten Christen waren geprägt von einer Leidenschaft, das Evangelium zu predigen und Jünger zu machen (vgl. Apg 2,47; 14,21). Ihr Eifer rief die Aufmerksamkeit ihrer Feinde hervor. Die feindlichen Leiter der Juden sagten Petrus und den anderen Aposteln: »Ihr habt Jerusalem mit eurer Lehre erfüllt« (Apg 5,28). Ähnlich wurde Paulus und seinen Mitarbeitern vorgeworfen, sie hätten »den Erdkreis aufgewiegelt« (Apg 17,6). Ihre furchtlose Verkündigung hallte durch die ganze damals bekannte Welt (vgl. Apg 1,8; 19,10). Die Gemeinde sollte in jedem Zeitalter durch den gleichen Missionseifer gekennzeichnet sein.
Weil die Gläubigen die feste Hoffnung auf die ewige Errettung (Tit 1,2; vgl. Joh 3,16; 11,25), aber auch die Wirklichkeit von Gottes kommendem Gericht kennen (2Kor 5,11.20; vgl. 2Pet 3,11–15; Heb 9,27), sollten sie eifrig die Frohe Botschaft von der Errettung verkündigen.
Die Gemeinde wird auch in der himmlischen Herrlichkeit Christus erheben und sich gegenseitig erbauen, aber Evangelisation ist etwas, was nur diesseits des Himmels getan werden kann. Das Neue Testament stellt die Evangelisation als die Verantwortung der Gemeindeleiter (2Tim 4,5; vgl. Eph 4,11), der einzelnen Christen (1Pet 3,15) und der Gemeinde als Ganzes (1Pet 2,9) dar. Die Errettung von Sündern bringt Gott Herrlichkeit und erfüllt die Seinen mit ansteckender Freude (vgl. Lk 15,7.10). Umgekehrt erfahren Gemeinden Stagnation und Rückgang, wenn sie die Evangelisation unterlassen oder abwerten.
Dieser Artikel ist ein Auszug aus „Biblische Lehre – Eine systematische Zusammenfassung biblischer Wahrheit“. (Kapitel IX – 2: Zweckbestimmungen der Gemeinde)